Datum: 08. Mai 2014

Anhörung im Innenausschuss: langer Weg bis zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht

(2014-119) Anlässlich der heutigen Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtags zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Zur Verbesserung des Zugangs zu Wahlen und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht" erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"In der Anhörung wurde deutlich, dass es in Sachsen noch ein langer Weg bis zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beim Wahlrecht ist. Neben strukturellen Barrieren behindern vor allem die Barrieren in den Köpfen Menschen mit Unterstützungsbedarf an einer gleichberechtigten Teilhabe an Wahlen", sagt Herrmann.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion sieht neben der Beseitigung der Wahlrechtsausschlüsse auch einen barrierefreien Wahlzugang (barrierefreie Wahlräume, Wahlverfahren und Wahlmaterialen) sowie eine Assistenz bei Wahlvorgängen für alle Menschen vor, die dies wünschen und benötigen.
Die Sachverständige Janina Bessenich, stellvertretende Geschäftsführerin der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, kritisierte die Wahlrechtsausschlüsse. "Die Ausschlüsse stellen nach dem Völkerrecht eine Diskriminierung dar."
Im Grundgesetz ist festgelegt, dass jeder Mensch wahlberechtigt ist. Die Bedenken einiger Sachverständiger, dass die Aufhebung der Ausschlüsse die Möglichkeit des Missbrauchs herbeiführt, hält Elke Herrmann für nicht gerechtfertigt. "Die Sachverständigen konnten keine belastbaren Daten nennen und behaupteten aber gleichzeitig, eine größere Missbrauchsgefahr bei Zulassung der momentan ausgeschlossenen Personen. Warum soll bei dieser kleinen Gruppe eine höhere Missbrauchsgefahr bestehen als bei allen anderen? Das ist mir nicht klar", sagt Herrmann. Einen Ausschluss allein durch Missbrauchsgefahr zu begründen, hält auch Bessenich für fragwürdig und völkerrechtswidrig.
Daneben sieht der Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion die Zulassung von Wählervereinigungen zu Landtagswahlen sowie die Festlegung von Wahlterminen außerhalb der Ferienzeit vor.
» Kleine Anfrage "Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung" (Drs. 5/12468)
» Kleine Anfrage "Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben gem. Art. 29 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)" (Drs. 5/8815)
» Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion "Gesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Wahlen und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht" (Drs. 5/13051)

Hintergrund:
Janina Bessenich ist stellvertretende Geschäftsführerin des Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V., der gemeinsam mit der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. acht Personen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, dabei unterstützt, gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2013 durch Einspruch beim Bundestag vorzugehen.
Nach dem sächsischen Wahlgesetz werden Menschen mit Betreuer für alle Angelegenheiten und Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 auch in Deutschland geltendes Recht ist, steht im Widerspruch zu der derzeitigen Situation der 4512 vom Wahlrecht ausgeschlossenen Personen in Sachsen. Sie sieht vor, dass Menschen mit Behinderung ihre politischen Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt mit anderen wahrnehmen können.