Bahnpolitik/’Neubaustrecke Dresden-Prag‘ – GRÜNE: Seifenblase statt Bahnkonzept für Sachsen?
(2014-184) Das heute von Deutscher Bahn AG und dem Freistaat Sachsen vorgestellte ‚Strategiekonzept Schiene‘ stößt auf entschiedenen Widerspruch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
"Es ist verrückt: Südwestsachsen bleibt vom Fernverkehr abgeschnitten. Aber Minister Sven Morlok und der DB-Konzern produzieren Seifenblasen – dieses Mal die Tunnelstrecke Dresden-Prag. Wer zuerst die höchsten Milliarden-Summen für die irrealsten Projekte am Kabinettstisch ruft, scheint in dieser sächsischen Regierung zu gewinnen", kritisiert Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
Nach Ansicht der GRÜNEN muss sich die Staatsregierung endlich auf den Ausbau des bestehenden Bahnnetzes in Sachsen konzentrieren.
"Die Neubaustrecke Dresden-Prag mit Untertunnelung des Erzgebirges ist angesichts der Mittelknappheit in den nächsten Jahrzehnten völlig unrealistisch. Statt von neuen Milliardenprojekten zu träumen, muss die Strecke Berlin-Dresden endlich fertiggestellt werden. So könnte man in gut drei Stunden von Berlin aus Prag erreichen."
"Es ist nicht absehbar, ob eine Neubaustrecke mit Mischverkehr den künftigen Kapazitätsansprüchen genügen würde. Voraussetzung dafür wären eine steigungsarme Trassierung und die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit im Personenverkehr auf 200 km/h. Oder wird die bestehende Elbtalstrecke auch langfristig einen Teil des internationalen Güterverkehrs tragen müssen? Dann wären Milliarden verschwendet."
"Das Lärmproblem auf der Elbtaltrasse kann mit überschaubaren Investitionen in den nächsten Jahren verringert werden. Neubautrassen, die jahrzehntelang nicht kommen werden, helfen den von Lärm betroffenen Anwohnern dagegen nicht. Alternativplanungen im deutsch-tschechischen Bahnverkehr dürfen nicht blockiert werden, etwa die Führung des Schienengüterverkehrs über Plauen, Bad Brambach oder Marktredwitz nach Cheb und weiter in Richtung Südosteuropa. Denn ein Ausbau dieser Alternativstrecken ist kostengünstiger und schneller realisierbar", so Jähnigen.
"Ein strategisches Bahnkonzept für Sachsen müsste das gesamte sächsische Bahnnetz in den Blick nehmen. Dazu gehört, die Belange des Nah- und des Fernverkehrs mit denen des Gütertransports zu verbinden. Andere Bundesländer schieben die Entwicklungen im Bahnnetz konsequenter an. So hat Sachsen-Anhalt vor wenigen Tagen ein umfangreiches Ausbauprogramm für die Bahnhöfe mit der DB AG vereinbart."
"In Sachsen werden Schienenstrecken auf Verschleiß gefahren. Bus und Bahn mussten dank CDU und FDP erhebliche Kürzungen hinnehmen. Zwischen 2011 und 2014 wurden durch die Abgeordneten von CDU und FDP im Sächsischen Landtag insgesamt 132 Millionen Euro gestrichen. Darunter leidet insbesondere der öffentliche Verkehr im ländlichen Raum. Streckenstilllegungen und deutliche Tariferhöhungen sind die Folge", kritisiert die Abgeordnete.
» Bahnhofsprogramm in Sachsen-Anhalt
Hintergrund:
Die GRÜNE-Fraktion im Sächsischen Landtag hat mit dem Masterplan „SACHSENTAKT 21“ zudem ein Konzept für ein vernetztes, vertaktetes sowie kundenfreundliches Bahn- und Bussystem vorgelegt.
» Mehr Informationen dazu unter www.mobiles-sachsen.de
Die Umsetzung des Sachsentaktes erfordert auf einzelnen Strecken Maßnahmen an der Infrastruktur. So sind Anpassungen bzw. Optimierungen der Linien notwendig, z. B. die Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit oder die Beseitigung von Langsamfahrstellen. Damit wird sichergestellt, dass die Fahrzeiten erreicht werden, die für eine gute Taktverknüpfung bzw. Umlaufplanung entscheidend sind.
Finanziell durch den Bund gesichert sind bisher der Ausbau Dresden–Leipzig sowie die Elektrifizierung Reichenbach–Hof.
Ohne feste Finanzierung sind derzeit die Bedarfsplanmaßnahme Cottbus–Görlitz sowie die für den Bundesverkehrswegeplan angemeldete Maßnahme Dresden–Görlitz. Hinzu kommt die Elektrifizierung Leipzig–Chemnitz, deren Aufnahme in den nächsten Bundesverkehrswegeplan vom Freistaat gefordert wird. Lassen sich für diese Maßnahmen Bundesmittel generieren, muss Sachsen für die übrigen identifizierten Maßnahmen nach Kostenschätzungen von kcw eigene Mittel in Höhe von ca. 430 Mio. € aufbringen.
Fließen für keines der Projekte ohne feste Finanzierung Bundesmittel, steigt der Investitionsbedarf für den Freistaat um ca. 560 Mio. € auf knapp eine Milliarde Euro. Zum Vergleich: die von der sächsischen Staatsregierung gewünschte Neubaustrecke Dresden–Prag würde ca. das Dreifache dieser Summe erfordern.
Diese Kosten sind zudem vor der langfristigen Perspektive sowie ihrem Nutzen zu betrachten. Bei einer Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren ergibt dies Kosten von ca. 50 Mio. € pro Jahr.