Datum: 24. März 2014

Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen alarmierend – Expertenanhörung auf Antrag der GRÜNEN

(2014-71) Anlässlich der heutigen Sachverständigenanhörung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen – Gewalt und sexuellen Missbrauch gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung bekämpfen", fordert Elke Herrmann, behindertenpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, umgehend Konsequenzen.
"Frauen mit Behinderungen sind bislang nur unzureichend vor körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt geschützt und zudem vielfältigen Formen von Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt. Es mangelt in Sachsen an niedrigschwelligen und barrierefreien Schutz- und Unterstützungsangeboten, an der Vernetzung der Hilfesysteme sowie an der Sensibilisierung von Polizei und Justiz. Präventive Maßnahmen zur Stärkung der Mädchen und Frauen mit Behinderung werden weder flächendeckend noch regelmäßig durchgeführt. Die fehlende Finanzierung spezifischer Angebote für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen mit Behinderungen wurde von den Sachverständigen mehrheitlich bemängelt. Das sind Missstände, die sofort behoben werden müssen."
"Die Ergebnisse der heute in der Anhörung vorgestellten Studie zu ‚Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland‘ sind alarmierend. Fast alle Frauen haben direkte Diskriminierungen in Zusammenhang mit ihrer Behinderung erlebt."
Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften und das Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld haben im vergangenen Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Studie "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" vorgelegt. Es handelt sich um die erste repräsentative Studie zur besonderen Situation von Frauen mit Behinderungen, die sowohl in Haushalten als auch in Einrichtungen durchgeführt wurde. Das Ergebnis der Studie ist besorgniserregend. Jede zweite bis vierte Frau der vorliegenden Studie hat sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend erlebt, allen voran gehörlose Frauen (52 Prozent), die dies besonders häufig in Einrichtungen bzw. Internaten erlebt haben, gefolgt von blinden Frauen (40 Prozent), psychisch erkrankten Frauen (36 Prozent), körper- bzw. mehrfachbehinderte Frauen (34 Prozent). Frauen mit sogenannten geistigen Behinderungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe gaben zu 25 Prozent an, Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein. Eine hohe Betroffenheit durch psychische und physische Gewalt zeigt sich vielfach auch im Erwachsenenleben. So haben 68 bis 90 Prozent der Frauen über psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen im Erwachsenenleben berichtet. Körperliche Gewalt im Erwachsenenleben haben mit 58 bis 75 Prozent fast doppelt so viele Frauen der vorliegenden Studie wie Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (35 Prozent) erlebt. Fast alle Frauen haben direkte Diskriminierungen in Zusammenhang mit ihrer Behinderung erlebt.
› Studie Zusammenfassung "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland"
› GRÜNER Antrag: "UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen – Gewalt und sexuellen Missbrauch gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung bekämpfen" (Drs. 5/13425)
› Kleine Anfrage (Drs. 5/9192): "Barrierefreiheit der Interventions- und Koordinierungsstellen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt"
› Kleine Anfrage (Drs. 5/9193): "Barrierefreiheit Sächsischer Frauenschutzhäuser und Frauenschutzwohnungen"