Datum: 23. April 2015

GRÜNE bringen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Stellplatzpflicht ein

(2015-146) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hat einen Gesetzesentwurf zur Aufhebung der landesweiten Stellplatzpflicht vorgelegt.
"Wir wollen die generelle Pflicht der Bauherren zur Schaffung von Stellplätzen für Autos abschaffen. Dieser noch aus der ‚Reichsgaragenordnung‘ von 1939 stammende Zwang wird der Situation in den sächsischen Städten und Gemeinden nicht mehr gerecht", begründet Eva Jähnigen, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion, den Gesetzentwurf zur Änderung der sächsischen Bauordnung.
Sachsen ist das letzte Bundesland mit landesweiter Stellplatzpflicht.
"Wir wollen die Kosten beim Wohnungsbau deutlich senken. Der aktuelle Zwang zum Tiefgaragenbau bzw. zur Zahlung der Ablösegebühr treibt die Baukosten und damit auch die Mieten in die Höhe", kritisiert die Abgeordnete.
"Besonders in innerstädtischen Quartieren ist die Stellplatzverordnung ein Kostentreiber. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet dort je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrtsmöglichkeiten ca. 15.000 bis 30.000 Euro, bis zu 10.000 Euro kostet die Ablösegebühr. Diese Kosten können die Mietkosten bis zu 100 Euro pro Monat und Wohnung erhöhen."
"Aus dem Innenministerium und der CDU-Fraktion wurde schon in der letzten Wahlperiode signalisiert, dass auch sie die landesweite Stellplatzpflicht abschaffen wollen. Doch trotz dieser Ankündigung hat Innenminister Markus Ulbig bisher keine Novelle der Bauordnung vorgelegt. Wegen der langen Übergangszeit – die Kommunen müssen ja Satzungen erlassen können – darf diese Reform nicht auf die lange Bank geschoben werden."
"Viele Menschen brauchen gerade in Leipzig oder Dresden keine privaten Autoparkplätze mehr, dafür aber bezahlbaren Wohnraum. Es ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, Menschen zum Nachweis einzelner Autostellplätze zu zwingen, wenn sie Fahrrad, öffentlichen Verkehr oder Carsharing nutzen wollen", argumentiert Jähnigen.
Nach dem Gesetzentwurf der GRÜNEN soll die Möglichkeit, selbst differenzierte Vorschriften zu Stellplatzpflichten für Autos und Fahrräder in ihrem Gebiet oder Gebietsteilen als Satzung zu erlassen, vom Freistaat auf die Städte und Gemeinden übergehen.
"Wo Bedarf an Stellplätzen für Autos und Räder oder Ablösemaßnahmen besteht, weiß man vor Ort am besten. Das stärkt die gemeindliche Selbstverwaltung und macht die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Stadt- und Verkehrsplanung attraktiv."
"Wenn weniger Flächen versiegelt werden müssen, verbessert sich aber auch die Aufenthaltsqualität auf Straßen, Plätzen und Höfen. Dass sich der Verkehrsanteil in den sächsischen Großstädten zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs entwickelt hat, muss sich auch darin niederschlagen, dass weniger Flächen für PKW-Stellplätze verbraucht werden", glaubt die Abgeordnete.
Die Parksituation für Fahrräder, Pedelecs und Kraftfahrzeuge ist in großen und kleinen Gemeinden sehr verschieden. Wohnprojekte könnten künftig auch ohne den Zwang zur Schaffung von Stellplätzen oder einer Stellplatzablöseabgabe realisiert werden; autoarmes oder autofreies Wohnen wird möglich und Kosten werden gespart."
Der Gesetzentwurf zur Aufhebung der Stellplatzpflicht wird am Donnerstag der kommenden Woche (30.4.) in den Landtag eingebracht.
Die Intention einer gesetzlichen Neuregelung der Stellplatzpflicht in Sachsen wird vom Sächsischen Landkreistag, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und der sächsischen Wohnungswirtschaft geteilt. » GRÜNER Gesetzentwurf zur Aufhebung der Stellplatzpflicht (Drs 6/1392) [PDF]

Hintergrund:
Laut Sächsischer Bauordnung müssen Stellplätze auf dem eigenen Grundstück oder auf einem privaten Grundstück in der näheren Umgebung geschaffen werden. Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigeren Platzverhältnisse in der Regel problemlos realisierbar ist, kann in Städten zu einem Problem werden. Zum Teil können die Stellplätze gar nicht oder nur mit hohem Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Herstellung wirtschaftlich nicht zumutbar oder das Grundstück könnte durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle wurde die Möglichkeit der sogenannten Stellplatzablöse geschaffen. Danach wird für jeden Stellplatz, der nicht eingerichtet werden kann, ein Geldbetrag (Ablösebetrag) an die Gemeinde gezahlt. Die Höhe der Ablösebeträge richtet sich nach Art der Nutzung und Lage des Gebäudes und darf maximal 10.000 Euro betragen.