Keine Gesundheitskarte für Asylsuchende? Staatsregierung lehnt ab
(2015-125) Die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber wird von Sachsens Staatsregierung abgelehnt. Das geht aus der Stellungnahme von Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) zu einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hervor.
"Die ablehnende Haltung der Ministerin und damit der CDU/SPD-Koalition ist für mich absolut unverständlich und angesichts der auf der Hand liegenden Vorteile der Gesundheitskarte in keinster Weise nachvollziehbar. Zum einen wird der von uns vorgeschlagene Weg abgelehnt, sich für eine entsprechende landesweite Vereinbarung zwischen den Kommunen und Krankenkassen einzusetzen. Gleichzeitig behauptet die Ministerin, sich für ein erleichtertes Verwaltungsverfahren für den Zugang zu medizinisch erforderlichen Leistungen engagieren zu wollen. Was konkret passieren soll, scheint sie selbst nicht zu wissen", kritisiert Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion.
Das Asylbewerberleistungsgesetz gewährt Asylsuchenden zu Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland nur eine medizinische Notversorgung (akute Erkrankung und Schmerzzustände). Diese wird im Freistaat Sachsen über ein aufwendiges, bürokratisches und diskriminierendes Verfahren sichergestellt: Asylsuchende müssen, bevor sie zur Ärztin oder zum Arzt gehen, beim Sozialamt einen ‚Krankenschein‘ beantragen. Sozialämter gibt es aber nur in größeren Orten. Die Entscheidung über die Bewilligung des Krankenscheines trifft in aller Regel eine Person, die nicht über medizinische Fachkenntnisse verfügt.
"Der hohe bürokratische Aufwand für medizinische Leistungen ist nicht länger hinnehmbar", erklärt Zais. "Die derzeitige Praxis erschwert die notwendige medizinische Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, beansprucht unnötig Ressourcen in den Sozialämtern, die sicher besser eingesetzt werden können und sorgt für eine höchst unterschiedliche Gewährungspraxis im Freistaat."
"Ich hoffe, dass die Ministerin durch die Sachverständigenanhörung am 18. Mai zum Antrag ihre ablehnende Haltung aufgibt. Bremen und Hamburg zeigen seit Jahren, dass die Gesundheitsversorgung für Asylsuchender menschlicher gestaltet werden kann."
Ende November 2014 haben sich die Länder im Bundesrat geeinigt, dass die Bundesländer die Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen können."
"Eine weitere Forderung unseres Antrags ist, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern einen unbeschränkten Zugang zum deutschen Gesundheitssystem zu ermöglichen. Auch davon will die Ministerin nichts wissen", beklagt die Abgeordnete.
» Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag "Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber" (Drs. 6/1062)
» Anlage zur Stellungnahme der Staatsregierung zum obigen Antrag
Hintergrund:
Gemäß der Paragrafen 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt sich der Leistungsanspruch von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern grundsätzlich nur auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Ziel der Therapie ist nicht die Heilung, sondern lediglich die Linderung der Symptome.
Die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer hat erklärt, dass die Einschätzung von Behandlungsbedürftigkeit und –fähigkeit durch medizinisch nicht sachkundiges Personal zu >>erheblicher gesundheitlicher Gefährdung von Patienten<< führen kann.
» Stellungnahme „Versorgung von nicht regulär krankenversicherten Patienten mit Migrationshintergrund“ der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer (Mai 2013)
Die Sozialbehörde der Freien Hansestadt Bremen hat schon 2005 zusammen mit der AOK ein patientenfreundlicheres Verfahren eingeführt, in dem sie an Asylbewerberinnen und Asylbewerber eine digitale Krankenkassenkarte ausgibt, welche den Bezug von Leistungen einer eingeschränkten Grundversorgung ermöglicht. Die Hürde einer vorherigen Antragstellung beim Sozialamt wurde damit abgeschafft. Dadurch gibt sie den Betroffenen und dem medizinischen Personal Sicherheit über die Kostenübernahme. Außerdem wird das Personal in den Sozialämtern erheblich entlastet. Die Rechtsgrundlage dafür bildet Paragraf 264 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Fünf (SGB V). 2012 wurde ein ähnliches Verfahren auch in Hamburg eingeführt.