Thema Lehrereinstellungen: Wird die Ausnahme zur Regel? Mehr Seiteneinsteiger und schulartfremder Unterrichtseinsatz
(2015-416) "Wird die Ausnahme zur Regel?", fragt Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag nach Auswertung ihrer Kleinen Anfragen zum Lehrer-Einstellungsverfahren im Schuljahr 2015/16.
"2015/16 wurden mehr Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger als je zuvor in den sächsischen Schuldienst eingestellt. Auch der schulartfremde Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern bei Einstellungen und Abordnungen erreicht neue Höchstwerte."
Insgesamt wurden zum Schuljahr 2015/16 345 Personen (278,8 VZÄ) ohne abgeschlossene Lehramtsausbildung eingestellt, davon 227 Personen unbefristet und 118 befristet (Vorjahr 165 Personen (143,6 VZÄ), davon 73 unbefristet und 92 befristet.
Insbesondere im Bereich der Chemnitzer Regionalstelle (umfasst die kreisfreie Stadt Chemnitz sowie die Landkreise Mittelsachsen und Erzgebirgskreis) wurden viele Bewerberinnen und Bewerber ohne Lehramtsabschluss eingestellt (121 Personen bzw. 92,4 VZÄ). Bei den Schularten waren vor allem Grundschulen (127 Einstellungen bzw. 111,5 VZÄ) und Oberschulen (118 Einstellungen bzw. 106,1 VZÄ) betroffen, in deutlich geringerem Umfang die berufsbildenden Schulen (59 Personen bzw. 33,8 VZÄ), Förderschulen (23 Personen bzw. 19 VZÄ) und Gymnasien (18 Personen bzw. 8,4 VZÄ). Bei den Unterrichtsfächern scheint der Mangel insbesondere in den Fächern Sport und – wenig überraschend – Deutsch als Zweitsprache (DaZ) besonders groß zu sein.
"Ob es sich bei den Seiteneinsteigern tatsächlich, wie von Kultusministerin Brunhild Kurth verkündet, um diplomierte Naturwissenschaftlerinnen handelt, ist aus der Antwort des Ministeriums nicht erkennbar. Anders als noch im Schuljahr 2014/15 wurde nur der Abschluss der Bewerberinnen und Bewerber genannt, dagegen verzichtete man auf die Angabe der Fächer. Die Bezeichnung ‚Sonstiger Abschluss‘ taucht häufig auf, wird aber nicht weiter aufgeklärt", ärgert sich die Abgeordnete.
Neben den sogenannten Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern wurden 247 Lehrkräfte (227,2 VZÄ) für eine Schulart eingestellt, die nicht ihrer Lehrbefähigung entspricht (Vorjahr: 175 Lehrkräfte). Erneut sind davon insbesondere die Oberschulen (142 schulartfremde Einstellungen bzw. 132,9 VZÄ) und Grundschulen (51 schulartfremde Einstellungen bzw. 45,7 VZÄ) betroffen. Dahinter folgen die Förderschulen (36 Personen bzw. 36 VZÄ) und berufsbildenden Schulen (17 Personen bzw. 14,5 VZÄ). An Gymnasien wurde nur in einem Fall schulartfremd eingestellt. Dafür müssen sich die Gymnasiallehrkräfte besonders häufig selbst umorientieren: 178 Lehrerinnen und Lehrer, die auf Lehramt an Gymnasien studiert hatten, kommen nun an anderen Schularten zum Einsatz. Erneut werden viele Lehrkräfte weiterführender Schulen an Grundschulen im Anfangsunterricht eingesetzt. Weiterhin dominieren bei den schulartfremden Einstellungen die Fächer DaZ und Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales (WTH). Bei letzterem werden häufig Berufsschullehrkräfte für die Arbeit an Oberschulen eingestellt.
Bei den schulartfremden Abordnungen ist ein Anstieg um über 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. 622 Lehrkräfte werden im Schuljahr 2015/16 teilweise oder vollumfänglich an eine Schulart abgeordnet, für die sie keine Lehrbefähigung nachweisen können (Vorjahr: 384 Lehrkräfte). Ähnlich wie bei den Einstellungen von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ist die Region Chemnitz besonders betroffen: Hier sind allein 231 Lehrkräfte schulartfremd abgeordnet (Leipzig: 152, Dresden: 90, Bautzen: 84, Zwickau: 65).
"Es wäre fahrlässig, auf Rettung aus anderen Bundesländern zu hoffen. Auch dort wird die Personaldecke dünner", zeigt sich Zais überzeugt.
Zwar haben sich zum Schuljahr 2015/16 immerhin 556 Lehrerinnen und Lehrer mit einem Lehramtsabschluss aus einem anderen Bundesland beworben. Im Vorjahr waren es dagegen noch 575 Bewerbungen, obwohl weniger Stellen ausgeschrieben waren. Nicht einmal jeder Zweite (223) wurde in diesem Jahr tatsächlich in den sächsischen Schuldienst übernommen. Wichtig bleiben die Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern dennoch, wenn es um die Unterrichtsabsicherung an Oberschulen (zuletzt 109 Einstellungen) und Grundschulen (72 Einstellungen) geht.
"Insgesamt wird deutlich, dass sich die Personalsituation weiter zuspitzt. Wo bleibt eigentlich das im Koalitionsvertrag angekündigte ‚Lehrerpersonalentwicklungskonzeptes 2020‘?"
» Antwort des Kultusministeriums auf die Kleine Anfrage Petra Zais: "Einstellung von SeiteneinsteigerInnen und schulartfremder Lehrereinsatz im Schuljahr 2015/16" (Drs 6/2521)» Ergänzung
» Antwort des Kultusministeriums auf die Kleine Anfrage "Einstellungen von LehrerInnen und AnwärterInnen aus anderen Bundesländern zum Schuljahr 2015/16" (Drs 6/2520)» Anhang» Ergänzung