Datum: 21. Oktober 2016

GRÜNE und LINKE versenden offenen Brief an Sächsisches Kabinett zum Lehrermangel

(2016-295) Zur fehlenden Einigung beim Lehrermangel in Sachsen haben die bildungspolitischen Sprecherinnen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE im Sächsischen Landtag heute einen offenen Brief an das Sächsische Kabinett verschickt. Der Wortlaut der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) und Cornelia Falken (LINKE) im Folgenden:

"Nicht länger jammern und trödeln – Sofortmaßnahmen gegen Lehrkräftemangel einleiten!

Sehr geehrter Ministerpräsident Tillich,
Sehr geehrte Ministerinnen und Minister!

Vor vier Jahren war die Unterrichtsversorgung nach Aussage der Kultusministerin noch „auf Kante genäht“. Heute, nach dem Start ins Schuljahr 2016/2017, hat sich die Situation noch dramatisch verschlechtert: Die Unterrichtsversorgung ist nach Aussage der Kultusministerin „angespannter denn je“. Wir sagen: Sie ist längst nicht mehr flächendeckend gewährleistet. Es gelingt Ihnen einfach nicht, den Lehrermangel in Sachsen zu bekämpfen. Ihre Personalpolitik beschränkt sich auf das Stopfen von Löchern.

Spätestens seit dem Auslaufen des Bezirkstarifvertrages für Gymnasial- und Mittelschullehrer 2006/2007 wussten Sie, was kommt. Schon damals hätten mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssen, um vorzusorgen. Es blieb genug Zeit, um die Lehramtsausbildung aufzustocken. Es bestand die Chance, für konkurrenzfähige Gehälter zu sorgen. Das alles haben Sie unterlassen. Nun bekommt die CDU-Kultusministerin die Krise nicht in den Griff, während der CDU-Ministerpräsident schweigt und der CDU-Finanzminister Geld blockiert, um „für kommende Generationen“ zu sparen. Was aber wird aus der heutigen Generation?

Ihre Politik hat Sachsens Schulen in eine Notlage manövriert. Die Schülerzahlen steigen – erfreulicherweise. Gleichzeitig verlassen immer mehr Lehrer altersbedingt die Schulen, bis 2030 werden das etwa 80 Prozent des heutigen Personalbestandes sein. Die Einstellung junger Lehrkräfte gelingt Ihnen jedoch nur in einem unzulänglichen Maße. Das Lehrpersonal wird verschlissen, wie die hohen Krankenstände und die zahlreichen vorzeitigen Ruhestandseintritte zeigen. Dennoch sieht die Kultusministerin die sächsischen Schulen „auf einem guten Weg“. Kritik an ihrer Bildungspolitik weist sie als „Abwerbemaßnahme“ sächsischer Lehrkräfte zurück. Diese scharfe Rhetorik offenbart Ihre große Verunsicherung.

Nach Auffassung der Landtagsfraktion von LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erweist sich die sächsische Regierung als unfähig, eine konstruktive Personal- und Bildungspolitik zu betreiben. Das zeigen die gescheiterten Verhandlungen über Maßnahmen zur Behebung des Lehrermangels zwischen Finanz- und Kultusministerium sowie der GEW und der dbb-Tarifunion sowie der Streit über das neue Schulgesetz.

Wir betrachten es als skandalös, mit welcher Ignoranz die Staatsregierung die selbstverursachten Probleme auf dem Rücken der SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen austragen will. Der CDU, die sämtliche Kultusminister hierzulande stellte, mangelt es an Respekt und vor allem an Wertschätzung gegenüber den LehrerInnen, die jahrelang die Lasten der Umbrüche getragen haben und immer mit der Aussicht auf bessere Zeiten vertröstet wurden. Statt besserer Zeiten folgt nach CDU-Lesart ein „Tal der Tränen“. Das ist an Zynismus nicht zu über-bieten.

Wir fordern die Sozialdemokraten auf, ihre Mindestforderungen in der Bildungspolitik aus der Zeit, in der sie die Oppositionsbänke drückten, nicht aufzugeben und in der Koalition auf attraktive Bedingungen für den Lehrerberuf in Sachsen zu dringen.

Wir fordern Sie als sächsische Staatsregierung auf, unverzüglich und mindestens die folgenden Maßnahmen zu treffen:

  • Den Lehrerberuf an Grundschulen und Mittelschulen aufwerten – Pflichtstundenzahl reduzieren (von 28 auf 26 in Grundschulen, von 26 auf 25 an Mittelschulen) und Entlohnung verbessern (Höhergruppierung von Entgeltgruppe 11 zunächst mindestens in Entgeltgruppe 12 an Grundschulen, generelle Höhergruppierung aller Lehrkräfte in die Entgeltgruppe 13 an Mittelschulen).
  • Sichere Rahmenbedingungen für Seiteneinsteiger schaffen – vor dem Lehreinsatz ein halbes Jahr Weiterbildung bei vollem Gehaltsbezug garantieren, Betreuung durch Mentoren gewährleisten.
  • Zulagen für ältere LehrerInnen gewähren.
  • Altersermäßigungen ausbauen statt abbauen – Lehrkräften ab dem 63. Lebensjahr drei Ermäßigungsstunden einräumen.
  • In allen Klassen eine Klassenleiterstunde pro Woche einführen.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Zais & Cornelia Falken"

» Der Brief findet sich als PDF Version hier.