Modernisierung des sächsischen Vergaberechts? Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen!
(2016-233) Obwohl im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD die Modernisierung des sächsischen Vergaberechts unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Standards festgeschrieben ist, steht die Umsetzung nach wie vor aus. Dies bestätigte Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) in seinen Antworten auf Kleine Anfragen der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE).
"Menschenunwürdige und unfaire Arbeitsbedingungen sind weltweit ein Problem. Unbedachter Einkauf unterstützt Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit, sei es nun in Sachsen oder in den Fertigungsländern. Staatlichen Beschaffungsstellen kommt deshalb eine besondere Verantwortung beim Einkauf zu. Wer billige und unter Verletzung von Umweltstandards hergestellte Waren kauft, macht sich mitschuldig", erklärt Petra Zais, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
Auf drei Kleine Anfragen nach der Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in den Beschaffungsstellen des Freistaates antwortete ihr Wirtschaftsminister Dulig: >>Die ILO-Kernarbeitsnormen finden in den Vergabeverfahren der staatlichen Einrichtungen nur selten Anwendung.<< Zudem werde derzeit geprüft, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Festlegungen des Koalitionsvertrags zu erfüllen. Darin wird eine Überarbeitung des Vergabegesetzes unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bis zum Jahr 2017 angekündigt.
Auf die Antworten des Ministeriums reagiert Zais zwiegespalten: "Dass bei Vergabeverfahren besonders darauf geachtet wird, dass die Vorschriften des Mindestlohngesetzes eingehalten werden, sollte selbstverständlich sein. Auch, dass regelmäßig Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung vergeben werden. Jedoch sollte weitergedacht werden als bis zu den Staatsgrenzen. Es muss und kann zum Beispiel ausgeschlossen werden, dass der Freistaat durch Kinderarbeit hergestellten Produkte einkauft. Grundsätzlich muss genauer hingeschaut werden, z. B. bei der Beschaffung von Arbeitskleidung wie Polizeiuniformen, bei landwirtschaftlichen Produkten wie Kaffee und Kakao, bei Sportartikeln oder der Verwendung von Natursteinen aus Afrika, Asien und Lateinamerika auf öffentlichen Baustellen des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Im Gegensatz zum Freistaat Sachsen gibt es in Baden-Württemberg beispielsweise eine Verwaltungsvorschrift, die genau dies regelt. Fair gehandelten und klimaverträglichen Produkten wird dort der Vorzug vor konventionellen gegeben, was nicht zwangsläufig mit finanziellem Mehraufwand verbunden ist."
"Die freiwillige Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien durch die Unternehmen kann deshalb lediglich ein Anfang sein. Wir brauchen Transparenz und Klarheit darüber, welche Standards Anwendung finden sollen. Das wäre durch ein neues Vergabegesetz und die Übernahme in die sächsische Vergabeordnung möglich. Der Freistaat hätte damit die Chance als authentisches Vorbild zu wirken und konkret zu werden, statt sich auf Freiwilligkeit auszuruhen. Deshalb erwarte ich vom Wirtschaftsminister, dass das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag bald eingelöst wird und an die Stelle freiwilliger Verpflichtungen der Wirtschaft endlich eine gesetzliche Regelung tritt", fordert Zais.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) – eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen – hat Sozialstandards festgelegt, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleisten und damit Zwangsarbeit beseitigen und Kinderarbeit abschaffen sollen. Aktuell existieren in Sachsen nach Angaben der Staatsregierung für die Vergabestellen keine verpflichtenden Vorgaben von den Bietern Nachweise zu verlangen, dass sie Waren anbieten, die unter Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen hergestellt bzw. gewonnen wurden.
» Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf die auf Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) ‚Beschaffung von Waren und Dienst- und Bauleistungen im Auftrag des Freistaates Sachsen unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten‘ (Drs 6/5192)
» Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf die auf Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) ‚Berücksichtigung ökologischer sowie sozialer Kriterien in der öffentlichen Beschaffung in der Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes bis 2017‘ (Drs 6/5179)
» Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf die auf Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) ‚Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Standards Beschaffungs- und Vergabeverfahren im Freistaat Sachsen‘ (Drs 6/5582)