Radverkehr in Sachsen − 69 bzw. 85 Prozent der Haushaltsmittel für Radwege im Jahr 2015 nicht genutzt
(2016-209) Der Freistaat gibt von Jahr zu Jahr viel weniger Geld für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur aus, als im Haushalt zur Verfügung steht. Das geht aus den Antworten von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf Kleine Anfragen der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) hervor.
"In der Vergangenheit wurde der Radverkehr stiefmütterlich behandelt. Jahrelang standen nur verschwindend geringe Fördersummen bereit, sodass die Lücken im sächsischen Radwegenetz bis heute nicht geschlossen werden konnten. Aber auch mit der Erhöhung der im Haushalt eingestellten Mittel sind kaum neue Radwege gebaut worden, da weder der Freistaat noch die Kommunen die bereitgestellten Mittel abrufen. Radverkehr hat für die sächsische Staatsregierung weiterhin einen viel zu geringen Stellenwert", kritisiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
"Die Bilanz des Radwegbaus ist erschreckend: Das zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) hat im Jahr 2014 für nur 393.000 Euro Radwege an Staatsstraßen gebaut, obwohl eine Million Euro dafür eingestellt waren. 61 Prozent der Mittel blieben ungenutzt."
"2015 und 2016 waren jeweils vier Millionen Euro für Radwege an Staatsstraßen eingestellt. 2015 gelang es dem LASuV, davon 1,26 Millionen Euro zu verbauen. 69 Prozent der Mittel wurden nicht abgerufen."
"Bis Ende Mai 2016 waren 380.700 Euro der 2016 vorhandenen vier Millionen Euro umgesetzt. Geht es in diesem Tempo weiter, werden im Jahr 2016 etwa 77 Prozent der verfügbaren Mittel zurück in die Kassen von Finanzminister Georg Unland (CDU) fließen."
"Dabei zeigen sowohl die Antworten auf viele meiner Kleinen Anfragen als auch die Debatten auf regionalen Veranstaltungen, dass an vielen Staatsstraßen Radwege dringend benötigt werden. Viele innerstädtische Staatsstraßen sind im Alltagsverkehr Unfallschwerpunkte für Radfahrerinnen und Radfahrer", erklärt die Abgeordnete.
"Bundesweit verfügen 25 Prozent der Landesstraßen über Radwege, in Sachsen liegt der Wert bei lediglich 10,8 Prozent. Von 4.750 Kilometern der Staatsstraßen in Sachsen verfügen nur 496 Kilometer über Radwege (http://radverkehr.sachsen.de/10435.html). Um bis Ende 2025 beim Ausstattungsgrad von Staatsstraßen mit Radwegen den bundesweiten Durchschnitt zu erreichen, müsste Sachsen jährlich 70 Kilometer Radwege bauen. Davon sind wir momentan meilenweit entfernt."
"Noch erschütternder ist die mangelnde Nutzung der europäischen EFRE-Mittel ‚Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger‘ für den Bereich Radverkehr. In der aktuellen Förderperiode von 2014 bis 2020 stehen dafür in Sachsen 29 Millionen Euro zur Verfügung, sodass seit 2014 jährlich durchschnittlich knapp vier Millionen Euro ausgegeben werden könnten. Bisher wurden davon aber nur lächerliche 52.000 Euro genutzt. Erschwerend kommt hinzu, dass Staatsminister Dulig einseitig festgelegt hat, dass der Bau kommunaler Radwege aus diesem üppig gefüllten Fördertopf nicht unterstützt werden soll", ist Meier empört.
"Zudem weigert sich die Staatsregierung, so Minister Dulig auf meine Anfrage im Plenum, mit dem üppig verfügbaren Fördergeld die dringend benötigten Radstationen zu fördern. Laut der vom Kabinett 2014 beschlossenen ‚Radverkehrskonzeption Sachsen‘ sollten Radstationen finanziell gefördert werden. Offensichtlich sind dem Verkehrsminister seine eigenen Beschlüsse nichts wert."
"Auch bei der Förderung der kommunalen Radwege sieht es düster aus. Im Jahr 2014 wurden von den vorhandenen 2,5 Millionen Euro nur eine Million Euro ausgegeben. Damit wurden 60 Prozent nicht genutzt. Diese Entwicklung verschlechterte sich sogar noch: 2015 wurden nur 600.000 Euro für kommunalen Radwegbau eingesetzt. Von den verfügbaren vier Millionen Euro wurden somit 85 Prozent nicht genutzt."
"Die Chance, dass die für das Jahr 2016 eingestellten acht Millionen Euro tatsächlich auch verbaut werden, ist mit Blick auf die vergangenen Jahre mehr als fraglich. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres wurden gerade einmal 10.500 Euro an kommunale Baulastträger ausgezahlt, was einem Anteil von 0,13 Prozent der im Haushalt eingestellten Summe entspricht. Eine absolut negative Entwicklung", beklagt Katja Meier.
"Fördergeld bringt dem Radverkehr nichts, wenn es am Ende nicht ausgegeben wird. Woran es im LASuV offensichtlich fehlt, sind ausreichende Planungskapazitäten und Fachkräfte, die sich ausschließlich mit Radverkehr beschäftigen. Wir schlagen die Gründung einer personell gut ausgestatteten eigenen Abteilung Radverkehr im Wirtschaftsministerium vor, die mit kompetenten Ansprechpartnern sächsische Kommunen unbürokratisch unterstützt und berät", sagt Katja Meier.
» Antwort von Staatsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) ‚Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 20 891 01 ‚Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger‘ für den Bereich Radverkehr in den Jahren 2014, 2015 und 2016′ (Drs 6/5131)
» Antwort von Staatsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) ‚Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 06 785 75 ‚Bau von Radwegen‘ in den Jahren 2014, 2015 und 2016′ (Drs 6/5132)
» Antwort von Staatsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) ‚Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 06 883 17 ‚Förderung Radverkehr einschließlich SachsenNetzRad‘ in den Jahren 2014, 2015 und 2016′ (Drs 6/5133)
» Mündliche Frage der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) ‚Förderung Radstationen in Sachsen‘
» Haushaltsplan 2015/2016 Einzelplan 07 Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr