Sachsens Landtag diskutiert drohende Folgekosten der Braunkohle für öffentliche Haushalte
(2016-97) Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutiert der Sächsische Landtag auf seiner Sitzung am Donnerstag, 17. März, die Risiken von Braunkohlentagebau und –Verstromung in Sachsen für die öffentliche Hand bzw. die Steuerzahler. Das ist geboten, weil aktuell im Vattenfall-Verkaufsprozess Weichen gestellt werden. Am 16. März endet für die interessierten Bieter die Frist für die Einreichung verbindlicher Angebote für die zum Verkauf stehenden Teile des Vattenfall-Geschäftes.
Im Antrag fordert die GRÜNE-Fraktion von der Staatsregierung, konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der finanziellen Belastungen aus der jahrzehntelangen Braunkohleförderung und –verstromung zu treffen.
"Eine ehrliche Diskussion zu Folgekosten und Risiken des Braunkohlengeschäfts muss in Sachsen endlich geführt werden. Denn es drohen potenzielle Belastungen der öffentlichen Haushalte in Milliardenhöhe", erläutert Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion.
"Jetzt beginnt die heiße Phase im Vattenfall-Verkaufsprozess und wir stehen vor nationalen Rahmensetzungen in der Klimapolitik. Noch im vergangenen Jahr schätzte Vattenfall den Wert seiner Braunkohlensparte auf zwei bis drei Milliarden Euro. Bereits heute scheint sich niemand mehr zu finden, der dafür überhaupt noch einen Kaufpreis bezahlen will."
"Jetzt ist die Zeit für Transparenz über Risiken und die richtigen Weichenstellungen für deren Begrenzung. Wir GRÜNEN wollen auch künftig lieber Kindergärten bauen und Innovationen fördern, statt schwer daran zu tragen, Altlasten wegzuräumen und Ewigkeitskosten zu bezahlen."
"Aus dem Braunkohlengeschäft sind Milliarden in die Taschen der Aktionäre geflossen. Es muss endlich abgesichert werden, dass sie auch dann bezahlen, wenn es ans Aufräumen geht."
"Wir fordern in unserem Antrag, dass es erst dann eine Zustimmung der Staatsregierung zur Übertragung der Bergbauberechtigung an einen möglichen Erwerber der Vattenfall-Braunkohlesparte geben darf, wenn dieser die nötigen Rückstellungen für Deckung der Bergbaufolgekosten in voller Höhe nachweist. Angesichts der wachsenden Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle der Kohlewirtschaft kann auch das nur eine kurzfristige Absicherung sein. Wir fordern deshalb, dass bei anstehenden Betriebsplangenehmigungen regelmäßig von der schon heute gesetzlich bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, von den Tagebaubetreibern Sicherheitsleistungen für die Folgekosten einzufordern."
"Das Sprichwort ‚Den Letzten beißen die Hunde‘ droht auch bei den Hinterlassenschaften der Braunkohle-Industrie", fürchtet der Abgeordnete. "Nachdem die Betreiber über lange Zeit Milliardengewinne eingefahren haben, darf die Rolle der ‚Gebissenen‘ nun nicht den Steuerzahlern und den öffentlichen Haushalten zufallen. Die katastrophalen Geschäftszahlen der Energiekonzerne und das Gezerre um deren Fähigkeit, wenigstens ihre Atomaltlasten zu bezahlen, wecken auch bei den Rückstellungen im Kohlegeschäft massive Zweifel."
"Selbst der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), Michael Vassiliadis, geht inzwischen davon aus, dass dringend ein Fonds unter anderem für die Rekultivierung von Tagebauen und den Rückbau von Kraftwerken aufgebaut werden müsse, da sich mit der Braunkohleverstromung nur noch etwa 15 Jahre Geld verdienen lasse", begründet Lippold den Antrag. Wenn sich in diesen 15 Jahren nicht mehr ausreichend Mittel sichern ließen, dann müsse laut Vassiliadis der Staat einspringen.
"Die Folgekosten müssen verursachergerecht bezahlt werden", fordert stattdessen Lippold. "Selbst wenn die Debatte zu Folge- und Ewigkeitskosten sowie zum Wann und Wie des Abschieds vom Kohlezeitalter mit einem gesellschaftlichen Kompromiss enden sollte – auch dafür müssen zunächst ausnahmslos alle Karten auf den Tisch."
"Die bilanziellen Rückstellungen der Betreiber, auf die sich die Staatsregierung bislang voll und ganz verlässt, werden nur dann zu liquiden Mitteln für die Deckung der Folgekosten, wenn die Betreiber auch nach Beendigung der Tagebaue noch hinreichend wirtschaftlich leistungsfähig sind. Wie verantwortungslos es ist, sich darauf blind zu verlassen, zeigt die aktuelle Debatte um die Folgekosten der Atomenergienutzung. Hier geht es bereits nur noch um Schadensbegrenzung für die Steuerzahler."
"Die Werthaltigkeit der Vorsorge für die Folgen des Braunkohlentagebaus steht und fällt mit der langfristigen Stabilität des Geschäftsmodells. Diese Stabilität ist aber unter den veränderten energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr gegeben. Die Wirklichkeit macht um Sachsen keinen Bogen", sagt der Abgeordnete.
"Für die Generation unserer Kinder droht eine Situation, in der sie für viele Jahrzehnte an die Folgekosten einer Energiewirtschaft gekettet wird, von der sie selbst nie profitiert hat. Es ist die Pflicht und Schuldigkeit verantwortungsvoller Landespolitik, solche Risiken heute offenzulegen und nach Kräften zu vermeiden."
» GRÜNER Antrag ‚Braunkohletagebaue und -Kraftwerke: Risiken aufdecken und potenzielle Folgen für Freistaat und Steuerzahler im Vattenfall-Verkaufsprozess begrenzen‘ (Drs 6/4447)
» Aussagen von IGBCE-Chef Michael Vassiliadis