Veröffentlichung TTIP-Dokumente: Sächsische Staatsregierung muss sich für transparenten und demokratisch legitimierten Neubeginn der Verhandlungen einsetzen
(2016-151) Zu den öffentlich gewordenen Inhalten der TTIP-Verhandlungen erklärt Gerd Lippold, wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Der Verhandlungsprozess um das TTIP-Abkommen kann jetzt nicht einfach weiter laufen. Angesichts des rasanten öffentlichen Vertrauensverlustes in Verhandler und Verhandlungen ist ein Stopp unumgänglich."
"Freihandelsabkommen sind in der heutigen Welt erforderlich, um im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsregionen nicht den Anschluss zu verlieren. Wer dabei auf Mitentscheiden verzichtet, wird erleben, dass die Regeln durch andere gesetzt werden. Ein faires Abkommen, das den Abbau von Handelshemmnissen zwischen der EU und den USA regelt, wäre deshalb ein richtiger Schritt."
"Allerdings ist TTIP deutlich mehr als die Abschaffung von Zöllen. Das verhandelte Regelwerk wird in nationale Gesetzgebungsprozesse eingreifen, bisher geltende Standards verändern und darüber hinaus Folgen für viele weitere Lebensbereiche haben. Negative Auswirkungen auf Verbraucherschutzstandards und auf die Rahmenbedingungen für kleine Unternehmen sind nur zwei Beispiele dafür. Die heute bekannt gewordenen Details aus den Verhandlungen bestätigen diese Befürchtungen."
"Der völlig intransparente Prozess, in dem das so weit reichende Vertragswerk bislang verhandelt wurde, hat in der europäischen Öffentlichkeit zu irreparablem Vertrauensverlust geführt. TTIP und das bereits verhandelte CETA-Abkommen mit Kanada sind deshalb nicht reparierbar."
"Es muss zunächst oberstes Gebot sein, diesen undemokratischen und intransparenten Verhandlungsprozess zu stoppen. Dann ist ein Neubeginn ist notwendig, in dem transparent geklärt ist, wer mit welchem Ziel verhandelt und wie öffentliche Information und parlamentarische Mitwirkung gesichert werden. Nur so können die Bürgerinnen und Bürger ‚mitgenommen‘ und verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden."
"Von der Sächsischen Staatsregierung fordere ich, dass sie sich – im Interesse der Mehrheit unserer kleinen und mittelständischen sächsischen Unternehmen – auf Bundes- und europäischer Ebene für ein Ende der intransparenten Verhandlungen einsetzt und einen konsequenten Neubeginn fordert."
"Zentrale Elemente des geplanten Abkommens wie die Paralleljustiz über Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren (ISDS) sowie die Marktöffnung im Bereich der Kultur, der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Ausschreibungen nutzen vor allem den Interessen globaler Konzerne, nicht dem sächsischen Mittelstand. Es muss sichergestellt werden, dass so entscheidende Fragen künftig nicht wieder über die Köpfe der Betroffenen und der gewählten Parlamente hinweg verhandelt werden können."
Hintergrund:
Ergebnisse einer repräsentative Mitgliederbefragung des Forschungsinstituts Prognos für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW):
Eine deutliche Mehrheit der befragten Unternehmen erwartet gegenwärtig negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Ein entscheidender Kritikpunkt ist die fehlende Transparenz. Verbände und Mittelstand wurden an den Verhandlungen nicht beteiligt und auch Politiker sind in den Informationen eingeschränkt.
Teure Schiedsverfahren sind z.B. für deutsche Start Ups völlig unpraktikabel, auch der Rest der Mittelständler lehnt diese Verfahren ab. Das europäische Vorsorgeprinzp und das amerikanische Nachsorgeprinzip schaffen ungerechte Wettbewerbsbedingungen und eine Behinderung europäischer Unternehmen.
Das Forschungsinstitut Prognos hatte im Auftrag des BVMW und der Schöpflin Stiftung 800 kleine und mittelständische BVMW-Unternehmen zu TTIP befragt – mit klarem Ergebnis: Demnach erwarten 62 Prozent der befragten Firmen eher negative oder sehr negative Auswirkungen durch das geplante Abkommen. Nur 22 Prozent sehen positive Effekte. Der deutsche Mittelstand erhofft sich zudem kaum Vorteile für das eigene Geschäft. Von TTIP würden bislang vor allem große Unternehmen profitieren.
Die Hälfte der befragten Unternehmen ist jedoch und bereits im Freihandel tätig. Hauptabnehmer ist aber die europäische Union. Viele Unternehmen erwarten zudem eine Intensivierung des Wettbewerbs und sind nicht unbedingt gegen das Freihandelsabkommen, fühlen sich jedoch unzureichend informiert