Dramatischer Verlust am Straßenbaumbestand in Sachsen: Allein 7.633 Fällungen an Bundes- und Staatsstraßen im Jahr 2016
(2017-234) Seit Jahren verringert sich der Baumbestand an Sachsens Bundes- und Staatsstraßen dramatisch. Der neue Negativrekord war im letzten Jahr erreicht. So wurden in ganz Sachsen im Jahr 2016 nur noch 14 Prozent der gefällten Bäume ersetzt. Dies geht aus der Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf eine Kleine Anfrage von Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, hervor.
An Bundes- und Staatsstraßen in ganz Sachsen fielen zwischen den Jahren 2010 bis 2016 insgesamt 20,5 Prozent des Baumbestandes der Säge zum Opfer. Von den ca. 257.358 Bäume, die noch 2010 an sächsischen Bundesstraßen und Staatsstraßen standen, wurden 52.777 Bäume bis Ende 2016 gefällt. Damit wurde jeder fünfte Baum Opfer der Säge oder ging durch Streusalzeinsatz kaputt.
Die Nachpflanzungen von etwa 21.500 neuen Bäumen an Bundes- und Staatsstraßen in ganz Sachsen innerhalb dieser sieben Jahre sind absolut nicht ausreichend, um den Baumverlust zu bremsen. Denn somit wurden in den letzten sieben Jahren weniger als 41 Prozent der gefällten Bäume ersetzt.
„Das ist ein dramatischer Verlust!“, erklärt Wolfram Günther. „Dabei schaut die Staatsregierung dem Kettensägenmassaker zunehmend apathischer zu. Im Jahr 2010 wurden immerhin noch 66 Prozent der gefällten Bäume durch den Freistaat ersetzt. 2016 sank der Anteil der Nachpflanzungen auf den Negativwert von nur noch 14 Prozent. 2016 wurden an Staats- und Bundesstraßen 7.633 Bäume gefällt, aber nur noch 1.068 nachgepflanzt.“
Die rote Laterne halten die Landkreise Mittelsachsen und Meißen. Im Landkreis Mittelsachsen wurden in den letzten sieben Jahren nur 23 Prozent, im Landkreis Meißen nur 29 Prozent der gefällten Bäume ersetzt. Zwischen 2010 und 2017 wurden in Mittelsachsen 7.229 Bäume gefällt, allerdings nur 1.679 nachgepflanzt und im Landkreis Meißen 4.019 Bäume gefällt, allerdings nur 1.100 nachgepflanzt.
„Straßenbäume sind nicht nur von hoher ökologischer Bedeutung, sondern als Baumalleen auch landschaftsprägend. Leider haben sie bei der sächsischen Staatsregierung keine Lobby. Schnell ist die Säge angesetzt, um Bäume als Hindernis für Baumaßnahmen oder aus Gründen der Verkehrssicherung zu beseitigen. Zusätzlich werden viele Bäume durch maschinelles Mähen, landwirtschaftliche Arbeiten bis direkt an den Baumstamm heran oder massiven Streusalzeinsatz verletzt und sterben ab.“
„Ich fordere die Staatsregierung auf, bei Fällungen an Staats- und Bundesstraßen zwingend ausreichend nachzupflanzen“, appelliert der Abgeordnete. „Der von uns GRÜNEN geforderte Ausgleich für die Verluste durch Fällungen wurde nicht annähernd erreicht. Selbst von der Minimalforderung zumindest die Anzahl der Straßenbäume gleichbleibend zu halten, ist man in Sachsen meilenweit entfernt.“
„Doch selbst wenn die Anzahl der gefällten Bäume ersetzt worden wäre, gilt dies als völlig unzureichend. Die ökologischen Leistungen der verschwundenen Bäume werden damit bei Weitem nicht wiederhergestellt. Denn ein neu gepflanzter, junger Baum erbringt nur einen Bruchteil der biologischen Leistungen eines Altbaumes − etwa in Bezug auf Sauerstoffproduktion, Temperaturausgleich oder Lebensraumeignung für Tiere.“
„Damit der Ausgleich eines alten Baumes durch Neupflanzung annähernd erreicht wird, muss bei Neupflanzungen wenigstens ein Verhältnis 1:3 oder darüber angestrebt werden“, fordert Günther.
„In Sachsen steht ausreichenden Nachpflanzungen u.a. die restriktive Anwendung der Richtlinie für den passiven Schutz an Straßen (RPS) entgegen. Diese Richtlinie aus dem Jahr 2009, die bei Straßen ohne Höchstgeschwindigkeit einen Mindestabstand für Neupflanzungen von 7,50 Meter zum Fahrbahnrand vorsieht, dient in Sachsen immer wieder als Vorwand, um nicht mehr nachzupflanzen. Denn selten verfügt der Straßenbaulastträger über so viel Land am Straßenrand. Der Zukauf von Land erweist sich oft als schwierig. Denn es besteht eine hohe Diskrepanz zwischen den durch gutachterliche Bewertung ermittelten Bodenpreisen, die die Straßenbauverwaltung für Grunderwerb erstatten darf und den zur Zeit am freien Markt erzielten Bodenverkaufspreisen.“
„Die Richtlinie ist allerdings kein Gesetz, sondern lediglich eine Empfehlung“, erläutert der Abgeordnete. „Sie geht von der Maximalforderung aus, neue Bäume möglichst weit vom Fahrbahnrand zu pflanzen. Wo dies allerdings nicht möglich ist, setzen wir GRÜNEN uns dafür ein, dass der Zielkonflikt zwischen Verkehrssicherheit und Alleenerhalt nicht nur zu Lasten der Bäume ausgeht.“
„Hier sehe ich den Freistaat in der Pflicht ein abgestimmte Lösungen vorzulegen. So können Schutzeinrichtungen wie Leitplanken eingesetzt werden. Damit lässt sich der Pflanzabstand deutlich minimieren. Zudem eröffnen Geschwindigkeitsreduzierungen die Möglichkeit von Alleepflanzungen mit einem Pflanzabstand von weniger als 7,50 m zum Fahrbahnrand.“
„Die Richtlinie RPS 2009 muss dringend überarbeitet werden. Die Vorschriften der RPS sollten in sämtlichen baumbestandenen Straßen künftig grundsätzlich nicht von der zulässigen Geschwindigkeit abhängig gemacht werden, sondern nur bei einer hohen Verkehrsbelastung zum Beispiel mit mehr als 2.000 Fahrzeugen je Tag und bei besonders gefährlichen Streckenabschnitten (z.B. im Bereich von Kreuzungen, Kurven, Böschungen) Anwendung finden.“
Streusalz kann Straßenbäume schädigen, bei direktem Kontakt sogar verätzen. Mit dem Schmelzwasser versickert Streusalz und kann sich über viele Jahre im Boden anreichern. Ein hoher Salzgehalt im Boden führt beispielsweise dazu, dass die Pflanzen Wasser und Nährstoffe schlechter aufnehmen können. Langfristig führt die Mangelversorgung dazu, dass Pflanzen anfälliger gegenüber Krankheiten werden – und früher absterben.
„Wir fordern die sächsische Staatsregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass salzfreie Streumittel aus Sand oder Kalkstein Priorität erhalten.“
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