Datum: 05. September 2017

Fortschrittsbericht »Aufbau Ost«

(2017-203) Zum Erscheinen des Fortschrittsberichts »Aufbau Ost« für das Jahr 2016 fasst die finanzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Franziska Schubert, zusammen:
„Gebunkertes Geld in Sondervermögen als Investitionen abzurechnen und damit die Erfüllungsquote zu schönen, ist politisch höchst fragwürdig.“

„Der Titel »Fortschrittsbericht Aufbau Ost« ist irreführend. Hier wird weder über Fortschritt noch über Aufbau berichtet. Es handelt sich lediglich um einen Nachweis, den der Freistaat gegenüber dem Bund über die Verwendung der Solidarpaktmittel zu erbringen hat. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn das Geld für Investitionen ausgegeben wurde. Dabei wird nicht unterschieden, ob strukturelle Verbesserungen in einem Land erreicht worden sind, oder ob, wie beispielsweise 2015, mit dem Geld Fitnessgeräte oder Besatzfische gekauft wurden“, erläutert die Abgeordnete.

„CDU-Finanzminister Prof. Dr. Georg Unland war es überaus wichtig zu betonen, dass die Mittel aus dem Solidarpakt nicht nur zweckentsprechend verwendet worden sind, sondern dass der Freistaat Sachsen noch zweimal so viel Geld darauf gelegt hat, das im Sinn und Zweck des Solidarpaktes ausgegeben wurde. Hier muss man jedoch genauer hinschauen. Was macht der Finanzminister mit welchem Geld? Und wie oft rechnet er ein und dasselbe Geld ab? Prof. Unland mogelt. Er hat in Sachsen ein System an Spardosen angelegt; sogenannte Fonds oder ‚Sondervermögen‘ – die Geldflüsse nachzuvollziehen, ist alles andere als einfach. Das hat auch Auswirkungen auf das, was er im Fortschrittsbericht unter ‚Investitionen‘ abrechnet.“

„Das reine Abrechnen sagt noch gar nichts darüber aus, ob das Geld tatsächlich für Sachsen arbeitet. So hat Finanzminister Prof. Dr. Georg Unland unter anderem im Bericht 2015 467 Millionen Euro, die er in die Spardose >>Brücken in die Zukunft<< gelegt hat, als Investition zum Aufbau Ost ausgewiesen! Dabei lag das Geld die ganze Zeit im Fonds; nichts ist damit passiert.“

„Ich gehe davon aus, dass die Staatsregierung diese Mittel in den Jahren 2016, 2017 und 2018 noch einmal abrechnet, wenn sie dann tatsächlich für Bauprojekte ausgegeben werden. Ich weiß nicht, ob es in anderen Ländern üblich ist, Millionen von Euros mehrfach abzurechnen. Der sächsische Finanzminister macht es auf jeden Fall. Es ist ernüchternd zu sehen, wie die sächsische Staatsregierung völlig ungeniert Zahlen über Haushaltsjahre hinweg hin und her schiebt, damit der Finanzminister von Planübererfüllung und hohen Investitionsquoten referieren kann. Nur, weil das im Rahmen des Nachweises möglich ist, ist das Vorgehen noch lange nicht seriös! Prof. Unland zündet eine Nebelkerze und streut den Menschen Sand in die Augen.“

„Wie es um Sachsen tatsächlich bestellt ist, erfährt man aus dem Bericht in keinster Weise. Die Grafiken, die auf ‚eigenen Berechnungen‘ basieren, sind in mehrerlei Hinsicht angreifbar, man muss nur genau hinschauen. So ist es überaus sportlich, das eigene Wirtschaftswachstum mit dem Hamburgs zu vergleichen und es grafisch so darzustellen, als wäre Sachsen der Klassenprimus! Hier wäre erst einmal das Ausgangsniveau als Grundlage wichtig gewesen, um ein klares Bild zu zeichnen. Es ist wie mit dem Vergleich zwischen dem Wirtschaftswachstum Deutschlands und Indiens – die Ausgangsniveaus sind komplett verschieden – und Prof. Unlands Vergleiche hinken genauso gewaltig.“

„Der Finanzminister spricht in seiner Pressemitteilung großspurig von ’stabiler, solider und nachhaltiger Haushaltspolitik‘. Ich kann anhand zahlreicher Beispiele aus der Landespolitik belegen, dass er hier eine verzerrte Realitätswahrnehmung hat.“

Hintergrund:
Jedes Jahr müssen die ostdeutschen Länder einen Fortschrittsbericht gegenüber dem Stabilitätsrat auf Bundesebene über die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt vorlegen. Der Bund akzeptiert einen vereinfachten Verwendungsnachweis. D.h., es können theoretisch alle Ausgaben aus Investitionstiteln, die sich im Haushalt finden, abgerechnet werden. Franziska Schubert hat bereits im vergangenen Jahr eine Anfrage gestellt, was der Finanzminister alles abrechnet – mit einer lesenswerten Übersicht. Auch in diesem Jahr hat Franziska Schubert wieder eine Kleine Anfrage eingereicht, um zu erfahren, was die Staatsregierung in diesem Jahr im Fortschrittsbericht 2016 unter »Aufbau Ost« abrechnet.

Die Kleine Anfrage Fortschrittsbericht 2016 »Aufbau Ost« (Drs. 6/10637) finden Sie hier