Datum: 17. November 2017

GRÜNE antworten auf das Positionspapier parteiunabhängiger Bürgermeister des Erzgebirgskreises zur Situation kreisangehöriger Kommunen

(2017-268) Die Landtagsabgeordnete Franziska Schubert, stv. Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, hat heute auf das gestern veröffentlichte Positionspapier parteiunabhängiger Bürgermeister des Erzgebirgskreises zur Situation kreisangehöriger Kommunen geantwortet.

"Ich bin Stadträtin in Ebersbach-Neugersdorf und Kreisrätin im Landkreis Görlitz. Viele Aspekte, die Sie ansprechen, beschäftigen auch mich in meiner täglichen Arbeit und in der Wahrnehmung meiner Mandate auf Kommunalebene", heißt es in dem Brief.
"Als GRÜNE Landespolitikerin setze ich mich immer wieder dafür ein, dass die gesamte Thematik Kommunalfinanzen einen viel größeren und vor allem öffentlichen Raum im parlamentarischen Verfahren erhält und damit Teil der politischen Diskussion wird. Das ist ein schwieriges Unterfangen."

"Alle zwei Jahre finden Gespräche zum kommunalen Finanzausgleich statt. Es ist einen kleine Runde – der FAG-Beirat – die Teilnehmer, Gespräche und Ergebnisse dieser Runde sind nicht öffentlich. Den Kommunen wird dann das Endergebnis präsentiert. In den Haushaltsverhandlungen lautet der gemeinsame Grundtenor vom Finanzminister und den kommunalen Spitzenverbänden (!): >>Ist alles mit der kommunalen Familie abgestimmt.<< Und damit wird jede Diskussion beendet", beklagt die Abgeordnete.
"Für Städte wie Landkreise und Gemeinden gilt: Hier leben die Menschen, die Familien, Kinder und Jugendliche. Es geht um das Hier und Jetzt genauso wie um Zukunft. Die Kommunen müssen ihre Aufgaben erfüllen können. Sie brauchen die Möglichkeit, trotz unterschiedlicher Einnahmen und Ausgaben, flächendeckend ein lebenswertes Sachsen zu schaffen."

"Wie der Freistaat seine Kommunen im Moment finanziell unterstützt, passt nicht mehr zu … den Entwicklungen in Sachsen. Diese Form der Finanzierung wird weder den Städten noch den ländlichen Räumen gerecht. Andere Bundesländer haben das bereits erkennen müssen – teils erst nach Klagen von Kommunen gegen bestehende Systeme. Da wurde das Finanzausgleichsystem zwischen Land und Kommunen angepasst. Für Sachsen ist das überfällig."

Als mögliche Lösungen empfiehlt Schubert die Orientierung an Elementen der Finanzausgleiche in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein:
"Rheinland-Pfalz hat zum Beispiel einen Stabilisierungsfonds eingeführt, der allen Kommunen eine finanzielle Grundausstattung garantiert und Ungleichgewichte glättet – und zwar für alle gleichermaßen, egal, ob groß oder klein. Rheinland-Pfalz hat sich gesagt: eigentlich haben wir als Land keinen direkten Einfluss auf die Steuereinnahmen der Kommunen. Wir können aber deren schwankende Gesamteinnahmen über einen anderen Geldstrom verstetigen, der an die Kommunen fließt: über Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich."
"Schleswig-Holstein hat 2014 einen neuen Finanzausgleich verabschiedet. Was ist hier für Sachsen interessant? Der deutlich stärkere Aufgabenbezug. Grundlage sind die gemeindlichen Aufgaben, die Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte und die übergemeindlichen Aufgaben. In besonderer Weise berücksichtigt der kommunale Finanzausgleich die sozialen Lasten bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Sie werden entsprechend ihrem Umfang zu einem zentralen Verteilungskriterium. Leistungen zentraler Orte für ihr Umland werden stärker honoriert. Gemeinden mit rückläufiger Einwohnerzahl werden entlastet. Ferner wird jährlich ein Betrag für Infrastrukturlasten bereitgestellt, was für Großstädte durchaus relevant ist. Das Schleswig-Holsteinische System ist also aufgabenbezogen, transparent und gerecht."

Zudem sei, so die Abgeordnete, "dringend eine grundsätzliche Änderung der Förderpolitik nötig. Notwendige Deckungsmittel für den allgemeinen Finanzbedarf müssen Vorrang vor einer Förderung haben. Das Vertrauen in die Kommunen ist daher eine zwingende Voraussetzung, die gelebt werden muss."
"Allein im aktuellen Doppelhaushalt 2017/18 ist ein Fördervolumen von über 5 Milliarden Euro vorgesehen. Da aber die Förderverfahren zum überwiegenden Teil bürokratisch, hochkompliziert, zeit- und papieraufwendig sind, wird das Geld niemals in dieser Höhe von Kommunen, Vereinen und anderen möglichen Fördermittelempfängern genutzt werden können. In Sachsen zum Beispiel sind viele soziale Vereinsstrukturen, aber auch im Sport, Kunst und Kultur ausschließlich auf Förderprogramme angewiesen. Die Landesregierung macht damit Politik auf Kosten der Entwicklungen im Land. Hier braucht es dringend ein neues Verfahren. Förderbedarfe müssen erhoben und in machbare und verlässliche Verfahren umgesetzt werden. Fördermittelnehmern müssen planen können und nicht nur auf die neueste Idee aufspringen müssen. Sie brauchen Planungssicherheit."
"Die Forderung der Kommunen, dass die Mittel der Fachförderung in die kommunale Finanzausgleichsmasse als Deckungsmittel eingespeist werden, ist nachvollziehbar und nicht neu. Allein der Personalbedarf auf kommunaler Ebene für die Antragstellung und Bearbeitung von Förderprogrammen rechtfertigt eine solche Forderung."

"In Sachsens ländlichen Regionen hat die Selbstorganisation einen immer wichtigeren Stellenwert. Hier kann und sollte über Regionalbudgets ohne Zweckbindung nachgedacht werden. So können zusätzliche Finanzmittel, wie zum Beispiel aus den Bundesinvestitionsprogrammen zur Stärkung der Kommunen, unabhängig von  Förderkriterien- und Verfahren des Freistaates ausgereicht werden."

(Auszug)