Bürgerproteste gegen Hochspannungsleitungen: Gesellschaftliche Akzeptanz ist die vielleicht wichtigste Ressource für das Gelingen der Energiewende
(2018-272) Der Netzausbau von Hochspannungsleitungen in Sachsen sorgt in den betroffenen Orten für Diskussionen. Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, besuchte in dieser Woche zwei aktuelle Beispiele in Grünbach (Vogtland) und im Raum Penig (Mittelsachsen).
„Nach Gesprächen mit Betroffenen vom Bauvorhaben von 110-kV-Trassen bin ich entsetzt, wie leichtfertig in Sachsen die Akzeptanz für den Netzausbau aufs Spiel gesetzt wird“, sorgt sich der Abgeordnete.
„An beiden Orten bin ich jeweils auf Bürgerinnen und Bürger getroffen, die sich aktiv in die Suche nach der besten Lösung einbringen wollen. In keinem der Fälle geht es den Menschen darum, die Netzausbauvorhaben zu verhindern, deren Notwendigkeit sie erkannt haben. Im Gegenteil: mit großem Engagement entwickeln sie Alternativvorschläge und suchen die Diskussion über die verträglichste Lösung.“
Seit 2011 gilt unter bestimmten Voraussetzungen für Stromleitungen bis 110kV gesetzlich der Vorrang für Erdkabel. Dieser Vorrang wurde bundesweit für die Verbesserung der Akzeptanz des Netzausbaus und damit für dessen Beschleunigung eingeführt.
„Ich habe jedoch vor Ort den Eindruck gewonnen, dass der Netzbetreiber Mitnetz weiterhin bevorzugt Freileitungen bauen möchte und begründete Gegenvorschläge der Betroffenen beiseite wischt. Hier wird nicht nach gemeinsam akzeptablen Lösungen gesucht, sondern ausschließlich nach Gründen für die Ablehnung der Vorschläge von Bürgerinnen, Bürgern, Kommunen und Verbänden.“
„Eine wachsende Zahl von Bürgerinitiativen kämpft mittlerweile dagegen an. Sie suchen Lösungen im Dialog mit Unternehmen und Behörden, die einen akzeptablen Interessenausgleich darstellen. Niemandem ist geholfen, wenn am Ende trotzdem nur der Weg vor das Oberverwaltungsgericht bleibt“, fasst Lippold seine Eindrücke zusammen.
„Moderne und gut funktionierende Verteilnetze (110kV) für den Strom sind die Grundlage für Versorgungssicherheit unserer Industriegesellschaft und unabdingbar für die weitere Digitalisierung. Wenn jedoch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht frühzeitig und ernsthaft einbezogen werden, führt das zu Widerstand, Einsprüchen und am Ende langwierigen Gerichtsverfahren. Der Netzausbau stockt. Innenminister Wöller (CDU) und der Netzbetreiber Mitnetz gefährden mit dieser Ignoranz gegenüber einer wesentlich aktiveren Bürgerbeteiligung ohne Not die Versorgungssicherheit in Sachsen.“
„Ich fordere Innenminister Wöller auf, der ihm unterstehenden Landesdirektion die vorgelegten Berechnungen der Netzbetreiber und der eingereichten Einwendungen in Bezug auf eine mögliche Erdverkabelung bei jedem Vorhaben sehr sorgfältig prüfen zu lassen. Am Ende profitieren alle Beteiligten, wenn der Leitungsausbau akzeptiert und dann auch zügig umgesetzt werden kann. Gesellschaftliche Akzeptanz ist in der Demokratie die vielleicht wichtigste Ressource für das Gelingen der Energiewende.“
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