GRÜNE kritisieren Forderung der Kohle-Ministerpräsidenten, Braunkohlekraftwerke von den neuen, ab dem Jahr 2021 verbindlichen Schadstoffgrenzwerten auszunehmen
(2018-290) Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Kohleländer hatten Mitte Oktober (Freitag, 19.10.) ein Forderungspapier an die Bundesregierung und an die Kohlekommission gerichtet.
„In dem Papier verbirgt sich hinter einer unscheinbaren, technischen Formulierung der nächste potenzielle Abgasskandal“, kritisiert Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert zusammen mit den Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt >>… die Schaffung abschließender Rechtssicherheit bei Best Available Techniques Reference (BREF-LCP) durch eine verlässliche abstraktgenerelle Ausnahmeregelung des Bundes …<<.
„Das heißt nichts anderes, als alle Braunkohlekraftwerke von allen neu festzulegenden, europaweit verbindlichen Schadstoffgrenzwerten unbefristet auszunehmen“, empört sich Lippold. „Diesmal geht es nicht um die Ertragssteigerung der Automobilindustrie, sondern darum, den Braunkohleaktionären Kosten zu ersparen, indem an Abgasgrenzwerten gemauschelt wird.“
„Einige der in Sachsen betriebenen Braunkohlekraftwerksblöcke gehören zum Beispiel in Bezug auf den Ausstoß des hochtoxischen Nervengiftes Quecksilber zu den schmutzigsten in ganz Europa. Dabei könnten sie auf dem aktuellen Stand der Technik bereits viel sauberer sein. Dieser Stand der Technik wurde in einem viele Jahre dauernden Prozess (LCP-BREF) in der EU definiert. Die neuen Grenzwerte wurden zum Schutz von Leben und Gesundheit von Millionen Menschen in der EU beschlossen. Sie werden auch in der Bundesrepublik 2021 endlich verbindlich.“
„Viele heutige Kohlekraftwerke müssen nachgerüstet werden, um sie einzuhalten. Das versucht Ministerpräsident Kretschmer mit seiner Forderung zu verhindern. Und zwar bei den größten sächsischen Luftschadstoffemittenten überhaupt, den Braunkohlekraftwerken. Ihnen soll es erlaubt werden, wesentlich mehr Quecksilber, Arsen und andere Umweltgifte auf Umwelt und Menschen niedergehen zu lassen, als dies nach dem Stand der Technik beim Kraftwerksbetrieb heute noch nötig wäre. Wozu gibt es überhaupt Grenzwerte für den Schutz von Leben und Gesundheit, wenn sich im Regierungshandeln von CDU und SPD deren Nichtbeachtung als Lösungsansatz einbürgert?“
„Insbesondere das sächsische Kraftwerk Lippendorf (bei Leipzig) gehört bei den spezifischen Quecksilberemissionen zu den Spitzenreitern. Es passt nicht zusammen, über Jahrzehnte Milliarden in touristische Infrastruktur im Süden von Leipzig zu investieren und mittendrin vermeidbare Nervengiftemissionen zu dulden“, erklärt der Abgeordnete.
Lippold schlägt in Anlehnung an übliche Übergangs- und Auslaufregelungen in der Industrie vor: „Bestenfalls für eine kurze Restlaufzeit nach 2021 sind Ausnahmeregelungen für einzelne Kraftwerksblöcke, deren verbindliche Außerbetriebsetzung kurz bevor steht, denkbar. Jeder Kraftwerksblock, der 2025 noch am Netz sein soll, muss zwingend die neuen LCP-BREF-Grenzwerte einhalten, fordert der Abgeordnete. Wer die vorgeschriebene Abgasreinigung nicht mehr einsetzen will, der muss das auch nicht tun. Er kann den Block auch früher vom Netz nehmen und Umrüstkosten sparen.“
Hintergrund:
MP-Forderungspapier ‚Rahmenbedingungen der ostdeutschen Braunkohleländer für die Strukturentwicklung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier‘ Diese benannte Passage findet sich auf S. 1, Absatz 3:
>>Zur nötigen Planungssicherheit gehört auch die Schaffung abschließender Rechtssicherheit bei Best Available Techniques Reference (BREF-LCP) durch eine verlässliche abstraktgenerelle Ausnahmeregelung des Bundes, damit ein in der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung zu vereinbarender Kompromiss nicht im Nachhinein durch Verschärfungen der umwelt- und anlagenrechtlichen Genehmigungen ausgehebelt werden kann.<<