Datum: 02. März 2018

Sächsische Kommunen haben Handlungsfreiheit? Der Finanzminister beliebt zu scherzen.

(2018-62) „Ich finde es zynisch, wenn Finanzminister Dr. Matthias Haß davon spricht, man stärke den Handlungsspielraum der Kommunen“, reagiert Franziska Schubert, stellv. Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, auf die heutige Pressemitteilung des Finanzministeriums. „Die Rückmeldungen sind ganz andere! Die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen ist seit Jahren eingeschränkt.“
„Es stellt sich die Frage, inwiefern die Kommunen überhaupt noch angemessen finanziell ausgestattet sind und ob ihre kommunale Selbstverwaltung durch den jetzigen Finanzausgleich noch gewährleistet ist. So haben zwei Drittel der sächsischen Kommunen keine beschlossenen Haushalte, unter anderem weil sie den Haushaltsausgleich nicht schaffen.“

„Ich sage erneut deutlich: es gibt keinen Grund, sich dafür zu feiern, dass die investiven Zuweisungen so hoch sind. Die Kommunen brauchen mehr allgemeine Schlüsselzuweisungen, über die sie frei entscheiden können. Investive Mittel führen dazu, dass Abschreibungen (also Refinanzierungskosten) in die Haushalte gebucht werden müssen – der Haushaltsausgleich fällt vielen Kommunen dadurch immer schwerer“, erläutert die Abgeordnete.
„Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs wäre angebracht. Ich habe schon mehrfach Vorschläge vorgelegt. Es wäre möglich, in das jetzige System Ansätze zu integrieren; das kann das sächsische Finanzausgleichsgesetz (FAG) vertragen, da es bis jetzt nur einen Sonderansatz gibt, nämlich den Schüleransatz. Der ist ohne Frage wichtig, aber weitere Ansätze könnten sein: ein Soziallastenansatz für Landkreise, ein Infrastrukturansatz für wachsende Städte, ein Flächenansatz für schrumpfende Regionen mit viel leitungsgebundener Infrastruktur.“

„Der sächsische kommunale Finanzausgleich ist in die Jahre gekommen. Die Zeiten haben sich verändert und im Freistaat muss mit Schrumpfung und Wachstum umgegangen werden. Beides kostet Geld – die Bedarfe sind nur jeweils andere. Zum Beispiel haben die wachsenden Städte Bedarf im Bereich Infrastrukturausbau und die schrumpfenden Regionen haben hohe Sozialausgaben und zu erhaltende Infrastruktur bei sinkender Bevölkerungszahl. Das jetzige System des kommunalen Finanzausgleichs wird den Realitäten im Land nicht mehr gerecht. Es verschärft das Gegeneinander zwischen Städten und kreisangehörigem Raum und trägt nicht zur gesellschaftlichen Befriedung bei, die Sachsen dringend braucht“, erklärt Schubert.

„Ich empfehle die Orientierung an Hessen, welches nach Auffassung der Wissenschaft das modernste Finanzausgleichsgesetz der Bundesrepublik besitzt.“
„Aber auch in Rheinland-Pfalz finden sich interessante Elemente: so hat man dort zum Beispiel einen Stabilisierungsfonds eingeführt, der allen Kommunen eine finanzielle Grundausstattung garantiert und Ungleichgewichte glättet. Rheinland-Pfalz hat sich gesagt: eigentlich haben wir als Land keinen direkten Einfluss auf die Steuereinnahmen der Kommunen. Wir können aber deren schwankende Gesamteinnahmen über einen anderen Geldstrom verstetigen, der an die Kommunen fließt: über Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich.“

„Schleswig-Holstein hat im Jahr 2014 einen neuen Finanzausgleich verabschiedet. Was ist hier für Sachsen interessant? Der deutlich stärkere Aufgabenbezug; es ist ein Bedarfsmodell. Grundlage sind die gemeindlichen Aufgaben, die Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte und die übergemeindlichen Aufgaben. In besonderer Weise berücksichtigt der kommunale Finanzausgleich die sozialen Lasten bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Sie werden entsprechend ihrem Umfang zu einem zentralen Verteilungskriterium. Leistungen zentraler Orte für ihr Umland werden stärker honoriert. Gemeinden mit rückläufiger Einwohnerzahl werden entlastet. Ferner wird jährlich ein Betrag für Infrastrukturlasten bereitgestellt, was für Großstädte durchaus relevant ist. Das Schleswig-Holsteinische System ist also aufgabenbezogen, transparent und gerecht.“

„Der Blick über den Tellerrand schadet nicht – und Sachsens Staatsregierung hat schon lange nicht mehr über den Tellerrand geschaut. Wie der Freistaat seine Kommunen im Moment finanziell unterstützt, passt nicht mehr zur Situation und den Entwicklungen in Sachsen. Die jetzige Form der Finanzierung wird weder den Städten noch den ländlichen Räumen gerecht. Andere Bundesländer haben das bereits erkennen müssen – teils erst nach Klagen von Kommunen gegen bestehende Systeme. Da wurde das Finanzausgleichsystem zwischen Land und Kommunen angepasst. Für Sachsen ist das überfällig“, fordert die Abgeordnete.

Weitere Informationen:
» Anhörungsprotokoll zum GRÜNEN Antrag ‚Sächsischen kommunalen Finanzausgleich überprüfen – finanzielle Gerechtigkeit in Stadt und Land sicherstellen, Demografie und ungleiche Soziallasten einpreisen‘ (Drs 6/5321)