Datum: 25. Januar 2019

GRÜNE legen Gesetzentwurf für mehr Klagerechte von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen vor

Günther: Wenn den Verbänden mehr Mitspracherechte eingeräumt werden, könnten unzulässige Praktiken endlich unterbunden werden

(2019-25) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag legt einen Gesetzentwurf für mehr Beteiligungs- und Klagerechte für anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen in Sachsen vor. Der Gesetzentwurf wird am Donnerstagnachmittag, den 31. Januar, in den Landtag eingebracht (1. Lesung, TOP 5).

„Wir wollen mehr Mitbestimmung von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen bei der Durchsetzung der europäischen Vorgaben für Naturschutz, in Landschaftsschutzgebieten und bei der Ausübung der fachlichen Praxis. Das heutige Mindestmaß an Klage- und Beteiligungsrechten genügen einfach nicht mehr“, erklärt Wolfram Günther, Vorsitzender der Fraktion und umweltpolitischer Sprecher. „In Sachsen gelten noch heute nur die absoluten Mindeststandards, die in Deutschland im Bundesnaturschutzgesetz verankert sind. Dabei ist es möglich, dass Sachsen wie andere Bundesländer den Naturschutzvereinigungen mehr Klage- und Beteiligungsmöglichkeiten an die Hand gibt. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt werden diese erweiterten Verbandsklagerechte heute schon erfolgreich angewendet.“

„Wenn den Umwelt- und Naturschutzverbänden mehr Mitspracherechte eingeräumt werden, könnten viele unzulässige Praktiken endlich unterbunden werden“, ordnet der Fraktionsvorsitzende die Bedeutung der erweiterten Verbandsklagerechte für den praktischen Naturschutz im Freistaat ein. „Vor allem Maßnahmen in Landschaftsschutzgebieten oder niedrigschwellige Verwaltungsverfahren in der Alltagspraxis werden oft ohne irgendeine externe Prüfung vollzogen. Diese machen aber einen Großteil der naturschutzrechtlichen Handlungen aus. Entsprechend groß sind ihre Auswirkungen auf den derzeit negativen Gesamttrend im Naturschutzbereich.“

Im Gesetzentwurf der GRÜNEN Landtagsfraktion sind Verbesserungen in folgenden Punkten sind auf Ebene des Sächsischen Naturschutzgesetzes vorgesehen:

  • Durchsetzung erweiterter Rechte für Naturschutzvereinigungen entsprechend nach europäischen Vorgaben wie in Artikel 9 der Aarhus-Konvention (nationale Umsetzung im Umweltrechtsbehelfsgesetz) zur besseren inhaltlichen Umsetzung der Natura 2000-Richtlinien und der EG-Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG (nationale Umsetzung bisher in Umweltschadensgesetz i. V. mit § 19 BNatSchG
  • Ausweitung der Klagerechte bezüglich der Schutzgebietskategorien „Landschaftsschutzgebiet“ (LSG) für anerkannte Naturschutzvereinigungen
  • Entkopplung der landesrechtlichen Zulassung von Naturschutzvereinigungen und Stärkung regional agierender Vereine mit Naturschutzzielstellung
  • Einführung von Verbandklagerechten zum europäischen Artenschutz gegenüber der Ausübung der guten fachlichen Praxis in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei

Weitere Informationen:

» Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE ‚Gesetz zur Erweiterung von beteiligungs- und Klagerechten für anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen‘ (Drs 6/16400):

Hintergrund:
Der Freistaat Sachsen erfüllt bislang die Mindeststandards der Bundesvorgaben nach Paragraf 63 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Nach Paragraf 64 Absatz 3 BNatSchG ist es jedoch möglich, dass die Länder den anerkannten Naturschutzvereinigungen in ihrem jeweiligen Hoheitsbereich erweitere Beteiligungsmöglichkeiten und Zugänge zu den Gerichten einräumen können.
In der Rechtspraxis sind im Freistaat Sachsen im Kern nur unrechtmäßige Befreiungen bzw. Verstöße gegen die Schutzgebietsverordnungen von Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Biosphärenreservaten und Natura 2000-Gebieten sowie bei Großvorhaben mit Umweltverträglichkeitsprüfung auch weitergehende Naturschutzrechte einklagbar.

Beispielfälle, bei denen erweiterte Klagerechte der Naturschutzverbände aus dem GRÜNEN Gesetzentwurf spürbare Verbesserungen für den Naturschutz in Sachsen erbracht hätten:

  • Umweltschaden an Arten des Anhanges IV der FFH-Richtlinie

Beispiel: Vernichtung eines Winterquartiers des Großer Abendseglers bei Deichausbauten im Einzugsgebiet der Weißen Elster ab 2013. Durch unkontrollierte Genehmigungspraxis erfolgte die Vernichtung des größten bekannten Winterquartiers des Großen Abendseglers im Leipziger Auwald in einer Alteiche am Schleußiger Weg. Es sind bis heute keine wintertauglichen Bauten zur Kompensation bekannt geworden. Verantwortliche Behörde: Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen.

  • Umweltschäden an Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie

Beispiel: Flachlandmähwiese  (LRT 6510) auf Hochwasserschutzdeichen – generell in Sachsen: Hauptverbreitungsgebiet von extensiven Mähwiesen und mageren Flachlandmähwiesen in Sachsen befindet sich auf Deichen. Diese Biotope sind in Sachsen regelmäßig nicht Bestandteil von FFH-Gebieten. Deiche sind im Freistaat Sachsen auch automatisch als Hochwasserschutzanlagen vom Schutz als geschützte Biotope nach Paragraf 30 BNatSchG freigestellt. Bei der derzeitigen Rechtspraxis ist eine Kompensation nicht überprüfbar. Der Erhalt des Lebensraumtyps und Sicherung seltener Lebensraum-Subtypen kann bisher praktisch kaum durchgesetzt werden. Aktuelles Beispiel: Flächennutzungsplan der Stadt Wilsdruff (Lkr. Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) aktuell im Auslegungsverfahren.

  • Schädigungen in Landschaftsschutzgebieten

Beispiel: Die Ausräumung der Flusslandschaften bei Leipzig von landschaftsprägenden Gehölzen im LSG ‚Leipziger Auwald‘. Anschließend erfolgte eine kilometerlange Einschlagung von Spundwänden und teilweise gesetzte Betonmauern in der Flusslandschaft. Dies stellt einen besonders schweren Fall einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar. Der Verlauf dieser negativen Entwicklung ist in mehreren Wellen seit dem Jahr 2003 jeweils unter Umgehung von geregelten Planfeststellungsverfahren zu beobachten. Verantwortliche Behörde: Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen.