Krankenhausgesetz: Medizinische Grundversorgung in allen Regionen Sachsens sicherstellen
Der Sächsische Landtag hat heute den Antrag der Koalitionsfraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD „Flächendeckende Grundversorgung sicherstellen und mit spezialisierten Schwerpunkten hohe Qualität erreichen: Leitlinien zur Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/10140) beschlossen.
Kathleen Kuhfuß, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, führt dazu aus:
„Die Novellierung des sächsischen Krankenhausgesetzes ist ein dringend notwendiger Schritt. Das Gesetz ist mittlerweile fast 30 Jahre alt und nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Bei der Anpassung des Gesetzes müssen wir uns vor allem der Herausforderung stellen, die medizinische Grundversorgung auch künftig in allen Regionen Sachsens zu gewährleisten. Wir BÜNDNISGRÜNE werben deshalb dafür, neue Versorgungskonzepte zu gestalten, beispielsweise Gesundheitszentren.“
„In diesen Gesundheitszentren sichern unterschiedliche Haus- und Fachärzte sowie Physio-, Ergo- oder Logopädie, Apotheken und Pflegedienste unter einem Dach die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Mit einer zusätzlichen Ausstattung mit Krankenhausbetten auch für die stationäre Behandlung wäre die Grundabsicherung im Krankheitsfall in Wohnortnähe gesichert. Erste Ansätze hierfür gibt es bereits, doch diese funktionieren noch nicht reibungslos. Hier müssen wir ansetzen und für Verbesserungen sorgen.“
Abschließend erklärt Kuhfuß: „Die Stärkung neuer Versorgungskonzepte bedeutet auch, dass wir einen Umbauprozess anstoßen müssen, der die Gestaltung der sächsischen Krankenhauslandschaft neu denkt. Einerseits müssen wir die Grundversorgung durch neue Konzepte regional sicherstellen, andererseits müssen wir die Qualität und die Kompetenz unserer Krankenhäuser für hochspezialisierte Eingriffe bewahren. Daher liegt uns BÜNDNISGRÜNEN die Weiterbildung der Fachärzte sehr am Herzen. Dazu müssen die Weiterbildungsverbünde gestärkt werden, damit insbesondere auch an kleineren Kliniken die umfängliche Qualifizierung von Fachärzten gesichert wird.“
Weitere Informationen:
Sehr geehrte Frau Schubert u. Frau Kuhfuß, ein Umbauprozess erdiente seinen Namen, wenn wirklich umgebaut würde. Woran das Gesundheitssystem krankt kommt in dem folgenden Offenen Brief deutlich zur Sprache . “ Zu mir, ich arbeite als Assistenzarzt in der Gefäßchirurgie und sehe seit Jahren, dass unser Gesundheitssystem sich immer mehr von bedarfsorientierter Medizin hin zu profitorientierter Medizin entwickelt, Auslöser hierfür sind das DRG-System, die Privatisierungen im Gesundheitssystem und die daraus resultiernden Einsparungen und fallzahlenorientierte Medizin, sowie die fehlende Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem. Aus aktuellem Anlass (Mangel an Pflegekräften, Krisen) konnte ich nicht länger schweigen. Falls Ihr es genauso seht, bitte Unterstützt diese Petition, um eine grundsätzliche Debatte zu starten.
Offener Brief an den Bundesgesundheitsminister, sowie die Gesundheitsminister_innen der Länder:
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. med Lauterbach und sehr geehrte Gesundheitsminister_innen der Länder,
zunächst einmal finde ich die Idee den im Gesundheitssystem Beschäftigten Dankbarkeit zu zeigen nicht verkehrt. Jedoch ist die Art und Weise in der es geschieht wieder typisch für unsere Gesellschaft. Es werden ausgewählte Menschen zu einem Staatsempfang eingeladen, etwas Tamtam und zurück zur Normalität.
Deshalb habe ich sehr mit mir gerungen überhaupt am Coronahelferempfang der bayerischen Staatsregierung teilzunehmen, als ich erfuhr, dass ich als Stellvertreter unserer chirurgischen Klinik ausgewählt wurde.
Aber ich sah dies auch als kleine Chance mit den „mächtigen“ in Kontakt zu kommen und Probleme zu übermitteln, weshalb ich an diesem Tag eine Kopie dieses Briefes den Mitarbeiter_innen von Frau Aigner und Herrn Dr. Söder überreichte.
Zunächst einmal vorneweg, es wird immer beteuert, dass es keine Triage gab, das ist schlicht falsch. Zwar wurde keine harte Triage bei Coronainfizierten notwendig, jedoch wurde dies mit einer Triage der Versorgung anderer Krankheitsbilder erkauft. Als in der Gefäßchirurgie Beschäftigter führe ich hier beispielhaft die Versorgung von pAVK Patient_innen an. So war es aufgrund reduzierter Kapazitäten nicht möglich Patient_innen im Stadium IIa und IIb zu behandeln, sondern erst im Rahmen einer kritischen Ischämie, was bereits spürbar im Umfeld unserer Klinik zu einem Aufkommen gegebenenfalls verhinderbarer Majoramputationen geführt hat.
Ich erwähnte die Rückkehr zur Normalität, diese Normalität im Gesundheitssystem verschlechtert sich seit Jahren zusehends.
Schuld daran sind mehrere Gründe. Allen voran die zunehmende Privatisierung im Gesundheitssektor mit all den bekannten Folgen (Kostendruck, Profitmaximierung, Konkurrenz, Einsparungen).
Diese Voraussetzungen werden durch das unsägliche DRG-System der Krankenhausfinanzierung noch verstärkt, in welchem nicht abgebildet wird, wie menschlich und empathisch mit Patienten und Angehörigen umgegangen wird, sondern dessen Vergütung der Behandlung nur anhand durchgeführter Eingriffe, Untersuchungen, sowie Tagen auf einer Intensivstation gemessen wird.
Somit steigt die Wahrscheinlichkeit im Krankenhausalltag in Bereichen der Grauzone den Patient_innen und Angehörigen Eingriffe zu empfehlen, welche nicht unbedingt zielführend oder angeraten, aber lukrativ sind. Dies geht mit dem in unserer Gesellschaft weit verbreiteten höher, schneller, weiter einher, welches bei vielen unreflektierten Menschen dazu führt, dass zum einen das Verständnis für die Endlichkeit des Lebens, beziehungsweise deren Akzeptanz fehlt und der Glaube an die angebotenen Heilmittel oftmals ohne Reflektion angenommen wird.
Diese Normalität führt dazu, dass jeden Tag am Essen der Patient_innen gespart werden muss, so dass die angebotene Kost nicht vor Mangelernährung schützt, bzw. diese bekämpfen kann (Hierzu existieren mehrere Studien). Dieser Missstand wird jedoch vom Gesundheitsministerium nicht in Angriff genommen und, dieses befindet sich aktuell unter Leitung eines SPD Ministers, jedoch ist dieser Missstand seit nunmehr fast 20 Jahren bekannt, in dieser Zeit hätte die CDU/CSU, sowie die FDP auch die Möglichkeit gehabt daran etwas zu ändern.
Jedoch soll es hier nicht um Parteipolitik gehen, oder darum Versäumnisse der einen Seite gegen die der anderen aufzurechnen, da dies zu keinen Verbesserungen führen wird.
Der gestiegene Kostendruck führt zwangsläufig zu Einsparungen v.a. beim Kostenfaktor Mensch, da dieser sehr stark ins Gewicht fällt. Als Beispiele für Einsparungen sind die zunehmende Anschaffung von Einmalsterilgut, Einmalschutzausrüstung, sowie die Auslagerung von Tätigkeiten wie der Wäscherei zu nennen, oftmals wird/wurde sogar die Küche ausgelagert.
Die zunehmende Verwendung von Einmalartikeln und die Angewiesenheit auf eine Funktionierende Logistik für Essen, Wäsche, Schutzausrüstung führt zu einer fehlenden längerfristigen Krisenresistenz, falls die Logistik und/oder die Produktionsstätten, welche aus Kostengründen oftmals im Ausland liegen nicht mehr funktionieren (auch sehr schön an den Profitraten von Maskenherstellern und deren „Dealvermittlern“ während der Pandemie zu sehen).
Bereits seit Jahren besteht eine Tendenz zum Verlassen fester Anstellungen in Krankenhäusern durch die Pflegekräfte, in geringerem Maße auch durch die Ärzt_innen. Ein Grund hierfür ist ein dem DRG-System geschuldeter immer höherer Durchsatz von Patient_innen, verstärkt durch Zielvorgaben gegenüber den Chefärzt_innen, welche von Klinikleitungen zur Steigerung der Fallzahlen verpflichtet werden.
Ein weiterer Grund sind die Verdienstmöglichkeiten im Sektor der Arbeitnehmer_innenüberlassung, im Vergleich zu anderen Branchen sieht es im Bereich der Pflege so aus, dass es für die Menschen deutlich angenehmer ist über Arbeitnehmer_innenüberlassungen zu arbeiten (deutlich höherer Verdienst, teilweise werden Dienstwägen gestellt, mehr Freiheiten…). Folge hiervon sind ein ausgesprochener Pflegemangel in den Kliniken welcher zur massenhaften Sperrung von Betten und teilweise ganzen Stationen führt (auch ohne eine eskalierende Pandemiesituation). Hier bleibt jedoch zu erwähnen, dass an dem Geschäftsmodell Arbeitnehmer_innenüberlassung erneut Gewinne im privaten Sektor gemacht werden. Während im Bereich gesunder Nahrung, Selbstversorgung, Krisenresilienz immer weiter eingespart wird (in privaten Kliniken zur Profitmaximierung, in öffentlich getragenen Häusern aus Konkurrenz mit den privatisierten Häusern), wird im Bereich Arbeitnehmer_innenüberlassung massiv Geld verschwendet, welches für andere Aufgaben benötigt werden würde.
Die fortschreitende Kommerzialisierung des Gesundheitssystems führt aktuell dazu, dass der niedergelassene Sektor zunehmend in den Fokus großer Investmentgesellschaften rückt, da hier eine Rendite von teilweise über 10% möglich ist. Im Rahmen dieser zunehmend renditeorientierten Patient_innenversorgung wird nun auch im ambulanten Sektor steigender Druck auf die Ärzt_innen aufgebaut, was über kurz oder lang erneut zur Durchführung von nicht unbedingt notwendigen Untersuchungen und Eingriffen führt, zu Lasten der Gesellschaft.
Im Rahmen des Krieges in der Ukraine wurde die Gasinfrastruktur als kritisch eingestuft und es werden nicht mehr nur Gedankenspiele geführt, wie der Staat eingreifen kann, mit aktuell zweifelhaftem Erfolg, zumindest was die Bescheidenheit der Uniper Geschäftsführung anbelangt.
Unser Gesundheitssystem wird leider nicht im gleichen Maße als kritische Infrastruktur betrachtet, da hier der Spekulation und der Profitgier kein Riegel vorgeschoben wird.
Zusammenfassend lassen sich mehrere konkrete Forderungen aus den Missständen Ableiten:
Anerkennung des Gesundheitswesens als kritische Infrastruktur um der Kommerzialisierung und zunehmenden Privatisierung entgegenzuwirken, beziehungsweise diese rückgängig zu machen.
Abschaffung des DRG-Systems welches dazu verleitet mehr Fallzahlen „um jeden Preis“ zu produzieren.
Eine Verpflichtung zur gesunden Ernährung einzuführen, welche in alltäglicher Aufnahme die Möglichkeit bietet Mangelernährung zu bekämpfen und diese nicht fördert.
Eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen und der Sicherung der autarken Versorgung mit ausreichendem wiederaufbereitbarem Material für den Katastrophenfall.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Vergütung v.a. der Pflegeberufe so dass die Arbeit in Abeitnehmer_innenüberlassungen uninteressant wird.
Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist etwas, das sich eine Gesellschaft, finanziert aus erwirtschafteten Werten, leistet und darf damit kein Spekulationsobjekt sein.
Nachdem die letzten Jahrzehnte gezeigt haben, dass seitens der Politik kein Interesse besteht gegen Investmentgesellschaften, sowie der Privatisierung des Gesundheitswesens vorzugehen, bleibt mir, für den Fall, dass weiterhin nichts verändert wird, nur noch die Genugtuung, dass ich weiß, dass Sie und Ihre Generation im Alter die ersten sein werden, die richtig unter den zunehmend schlechter werdenden Versorgungsbedingungen zu leiden haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med Christian Schulz“
Mit frdl. Gruß, I. Müller