Intelligente Videoüberwachung: Es geht nicht darum, was wir zu verbergen, sondern darum, was wir zu verlieren haben
Nur wenige Gäste folgten der Einladung zur Veranstaltung „Wenn die Kamera mitdenkt – Die Aushöhlung unserer Grundrechte durch intelligente Videoüberwachung“ am 14. und 15.9.2017 in Dresden und Leipzig. Umso intensiver war jedoch die Diskussion zwischen Benjamin Kees, Bernhard Bannasch, Valentin Lippmann und den Gästen zu den Gründen und Folgen intelligenter Videoüberwachung.
Zu Beginn las der Informatiker und Autor Benjamin Kees aus seinem Buch „Algorithmisches Panopticon – Identifikation gesellschaftlicher Probleme automatisierter Videoüberwachung“, in der er ein technische wahrscheinliches System automatisierter Videoüberwachung entworfen und beschrieben hat, welche direkten und langfristigen Auswirkungen dies auf betroffene Individuen und die Gesellschaft hat. Er wies zunächst darauf hin, dass eine britische Metastudie zur Effektivität von Videoüberwachung ergab, dass der präventive Einsatz die Kriminalität nur um 4 Prozent verringere, die Videoüberwachung zugleich – zumindest in deutschen Kommunen – zu 99 Prozent gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoße. Intelligente Videoüberwachung erstellt Bewegungsbilder und erfasst auffälliges Verhalten. Sie hat zum Ziel, nicht nur unerwünschtes Verhalten zu erkennen, sondern auch vorhersehbar zu machen. Interessant waren insbesondere seine Ausführungen dazu, welche Diskriminierung mit intelligenter Videoüberwachung einhergeht. „Technik ist politisch“, wenn Algorithmen eine Normalität modellieren und Menschen ständig und dauerhaft nur deshalb überwacht werden, weil sie von dieser Normalität abweichen. Intelligente Videoüberwachung führt dazu, dass wir uns selbst disziplinieren – wir meiden überwachte Räume oder versuchen uns, konform zu verhalten.
Daran knüpfte auch Bernhard Bannasch, Vertreter des Sächsischen Datenschutzbeauftragten in der anschließenden Diskussion unmittelbar an. Auf die Frage von Valentin Lippmann, Sprecher für Datenschutz der GRÜNEN Fraktion im Sächsischen Landtag, der die Diskussion moderierte, ob ihn die von Benjamin Kees skizzierte Welt der Überwachung erschrecke, antwortete er „Ja, denn intelligente Videoüberwachung beschränkt den öffentlichen Raum und habe unmittelbaren Einfluss auf unsere Demokratie – auf die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Handlungsfreiheit.“ Dabei ist das Terrorismusnaritiv überall, obwohl die Gefahr, Opfer einer terroristischen Gewalttat zu werden, sehr gering sei. Zwar gebe es in Sachsen noch keine Rechtsgrundlage für intelligente Videoüberwachung, aber sie werde kommen. Auch deshalb, weil dahinter große geschäftliche Interessen stünden, etwa die entsprechende Technik zu verkaufen. Ein großes Problem sei auch der staatliche Zugriff auf privat betriebene Videoüberwachung. Der Nachweis des unabweisbaren Bedürfnisses, dass ein Staat diese Instrumente der Überwachung brauche und diese erforderlich sind, bliebe er uns schuldig.
Die weitere Diskussion streifte die wirtschaftlichen Interessen an einer technischen Aufrüstung der Sicherheitsbehörden und die fehlende Solidarität derer, die sich für die Nutzung von Facebook oder Google entscheiden, ohne dabei zu übersehen, dass sie diese Entscheidung nicht nur für sich, sondern auch für ihre Kontakte treffen. Benjamin Kees stellte fest, dass es bei Überwachung nicht um Sicherheit gehe, sondern um das Sammeln von Daten. Und Bernhard Bannasch ergänzte, dass es dabei auch um das Geschäft und um Macht ginge.
Zum Schluss stellte einer der Gäste noch die entscheidende Frage, die sich uns als Veranstalterin gerade mit Blick auf den geringen Zuspruch und uns GRÜNEN als Bürgerrechtspartei im Allgemeinen interessiert: Wie können wir die Bürgerinnen und Bürger auf die zunehmende Beschränkung ihrer Freiheit und Integrität aufmerksam machen oder gar davon überzeugen, sich dagegen unter Geltendmachung ihrer Rechte zu wehren? Die Podiumsteilnehmer waren sich einig: wir müssen die zunehmende Überwachung in Geschichten erzählen, damit sie begreifbar wird. Es gehe nicht darum, was wir zu verbergen, sondern darum, was wir zu verlieren haben. So gesehen, war die Veranstaltung ein Anfang.
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