Fachgespräch zur Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen
Am 08.02.2024 hat unsere Fachsprecherin für Migration und Integration der Fraktion, Petra Čagalj Sejdi, zu einem virtuellen Fachgespräch zur Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen (kurz FRLIM) geladen. 18 Teilnehmende verschiedener Träger, Vereine und Initiativen haben sich am Fachgespräch beteiligt.
Deutlich wurde vor allem Eines: Die Lage der Integrationsprojekte in Sachsen ist äußerst prekär.
Das Bewilligungsverfahren für Fördermittel für 2024 war geprägt durch die späte Novellierung der Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen (FRL IM). Die Gesprächsteilnehmenden haben berichtet, dass die geänderten Fördervoraussetzungen dazu führten, dass Anträge innerhalb von zwei Wochen umgestellt bzw. neu gestellt werden mussten. Nicht alle Maßnahmen haben den nun geltenden Kriterienkatalog erfüllt und so haben auch etablierte Projekte Ablehnungen erhalten.
Die Gesprächsteilnehmenden haben auch berichtet, dass Bewilligungen wohl frühestens Anfang März 2024 zu erwarten sind. Für sie bedeutet das, sie müssten einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn beantragen. Dieser erfolgt für die Antragstellenden auf eigenes Risiko. Wie bei anderen fördermittelabhängigen Vereinen auch, ist eine solche Vorfinanzierung kaum möglich. Daher wurden (vorübergehend) Projekte und damit verbundene Angebote eingestellt und Fachkräfte mussten entlassen werden. Damit stehen auch viele Menschen, die von den Angeboten der Projekte profitiert haben, vor verschlossenen Türen.
Übereinstimmend wurde die Befürchtung geäußert, dass die Situation sich weiter verschlechtern wird. Die aktuelle Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen ist eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2024. Der Sächsische Rechnungshof hatte signifikante Mängel im Verwaltungsverfahren des Sozialministeriums feststellen müssen. Diese gilt es, zu beheben. Das Sozialministerium schafft das nach eigener Aussage nicht bis zum Ende der Wahlperiode. Die Gesprächsteilnehmenden berichteten von einer „Ladenschlussstimmung“. Nahezu alle Projekte laufen zum 31. Dezember 2024 aus. Die Wahl und die daran anknüpfende Regierungsbildung wird Auswirkung auf die Haushaltsbefassung für den Haushalt 2025/2026 haben. Ein Beschluss erscheint erst im laufenden Jahr 2025 wahrscheinlich. Für die meisten Antragstellenden ist eine Überbrückung nicht möglich.
Die Lage ist dramatisch.
Sachen braucht eine vielfältige Integrationslandschaft. Sie fördert Teilhabe und Integration und trägt damit wesentlich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Wir BÜNDNISGRÜNE sehen mit großer Sorge, dass diese Projektlandschaft in hohem Maße gefährdet ist. Ihre Zukunft ist auf eine demokratische Vertretung angewiesen, welche sich dieser Verantwortung bewusst ist.
Die Gesprächsrunde stimmte zu, dass aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen sei und Integrationsprojekte in Sachsen auf eine bessere fachliche und tragende Grundlage zu stellen sind. Die Teilnehmenden haben hier auch an der nunmehr vorliegenden FRL IM geäußert und Verbesserungen vorgeschlagen:
Schwierig ist zum Beispiel die zu breite Aufstellung der FRL IM. So wurden über die FRL IM vielfältige Integrationsprojekte, Sprachkurse und auch kommunale Integrationsarbeit gefördert. Kleine diverse Projekte und großen Strukturprojekte standen miteinander in Konkurrenz und wurden nach den gleichen Maßstäben gewertet. Hier braucht es eine bessere Kategorisierung, sodass nur gleichartige Projekte in Wettbewerb treten. Auch wurde vorgeschlagen, dass sich Fördervoraussetzungen an den unterschiedlichen Strukturen orientieren. Kleinprojekte zum Beispiel von Studierendenorganisationen oder Migrant*innenselbstorganisationen sollten niedrigschwelligere Voraussetzungen erfüllen müssen.
Es gilt, die Diversität der Projektlandschaft aufrechtzuerhalten. Projekte, die Gewalt gegen Frauen thematisieren, haben die gleiche Daseinsberechtigung wie Unterstützung bei der Wohnraumsuche. Das ist bei dem Entscheidungsprozess sicherzustellen. Die derzeitige Übertragung des gesamten Bewilligungs- und Controllingprozesses durch das Sozialministerium an die SAB stieß in diesem Zusammenhang auf große Irritation. Die Antragstellenden haben ihre Zweifel geäußert, dass eine Bank regionale Bedarfe in der Integrationsarbeit sowie eine faire Verteilung der Gelder an die heterogene Akteurslandschaft fachlich beurteilen kann. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage aufgeworfen, wie die Kommunen, die am besten über ihre Bedarfe vor Ort Bescheid wissen, wieder mit ins Boot geholt werden können.
Die Einbeziehung der Integrationskonzepte, die im Entwurf des Sächsischen Integrationsgesetzes als ein Baustein der kommunalen Integrationsarbeit genannt werden, war ein Vorschlag der Einbindung.
Befürwortet haben die Antragstellenden die Einsetzung eines Beirates. Grundsätzlich braucht es jedoch bei vielen an der Entscheidung Beteiligten (Ministerium, Kommune, SAB, Beirat) Transparenz, wer an welcher Stelle an der Entscheidung mitgewirkt hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage, wie Beratung abgesichert werden kann. Beratung ist aus der Sicht der Teilnehmenende Grundvoraussetzung für Teilhabe. Allerdings ist Beratung schwer als Projektarbeit zu konzipieren, da sie eine Daueraufgabe ist.
Zu großer Unsicherheit führt auch der Ausschluss der Förderung, wenn politische Neutralität nicht gewahrt ist. Hier muss eine Unterscheidung stattfinden zwischen der nicht gerechtfertigten Förderung von Parteifreund*innen oder der politischen Unterstützung von Minderheiten, was ein Teil von Integrationsarbeit ist.
Wir BÜNDNISGRÜNE sehen nach diesem Gespräch noch viel deutlicher, wie wichtig es ist, die Projektlandschaft in dieser Krise und beim Wiederaufbau bestmöglich zu unterstützen. Bei der Novellierung der Richtlinie sind uns daher die folgenden Punkte besonders wichtig:
- Eine bedarfsgerechte Förderung von Integrationsprojekten beinhaltet vielfältige inhaltliche Angebote, die regional gut verteilt sind.
- Unterschiedliche Projektarten dürfen nicht nach den gleichen Maßstäben bewertet werden und kleine Projektträger benötigen andere Zulässigkeitsvoraussetzungen als große Strukturprojekte.
- Wir verstehen Migrant*innenselbstorganisationen als Brückenbauende zwischen zugewanderten Menschen und Aufnahmegesellschaft. Daher sollten sie befähigt werden, dieses Potential zu nutzen.
- Vielfalt ist durch Kategorisierungen der Fördertatbestände sowie durch Beteiligung von Kommunen und einem Beirat bei Entscheidungen sicherzustellen.
- Daueraufgaben müssen als solche anerkannt und entsprechend finanziert werden, anstatt Träger jedes Jahr aufs Neue zu zwingen, „das Rad neu zu erfinden“. Das gilt insbesondere für Beratung (zu besonderen Lebensumständen wie bei Gewaltbetroffenheit aber auch zur aufenthaltsrechtlichen Situation), um Menschen den Weg in einen normalen Alltag in unserer Gesellschaft zu ebnen und damit Integration voranzubringen.
- Es bedarf eines Nebeneinanders von institutioneller Förderung von Maßnahmen, die dauerhaft wichtig sind und der Förderung vielfältiger Projekte.
- Förderverfahren müssen vor parteipolitischer Einflussnahme geschützt werden. Förderung darf aber nicht davon abhängig gemacht werden, dass sich Zivilgesellschaft für die Rechte von Minderheiten/Menschen einsetzt.
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