Datum: 11. September 2025

EU-Kohäsionspolitik – Meier: Es braucht das Signal, dass keine Region zurückgelassen wird und dass Unterschiede abgebaut werden

Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: „Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) der EU: Den Zusammenhalt der europäischen Regionen durch eine zukunftsorientierte Kohäsionspolitik nach 2027 sichern“

19. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11.09.2025, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

auf den ersten Blick klingen die Pläne der Europäischen Kommission nach Vereinfachung. Doch in der Praxis hätten sie gravierende Folgen: weniger Mitsprache für die Regionen, weniger Flexibilität bei der Förderung, ein Angriff auf das Subsidiaritätsprinzip – und nicht zuletzt massive Nachteile für Länder wie Sachsen, die in besonderem Maße auf europäische Struktur- und Regionalförderung angewiesen sind.

Die Kohäsionspolitik ist weit mehr als ein technisches Finanzinstrument. Sie ist das Rückgrat europäischer Solidarität. Seit Jahrzehnten trägt sie maßgeblich dazu bei, dass Sachsen wirtschaftlich, sozial und kulturell aufholen konnte.

Ohne diese Unterstützung wären viele Erfolge nicht denkbar gewesen: von der Modernisierung unserer Infrastruktur über die Stärkung des Forschungsstandortes bis hin zu grenzüberschreitenden Kulturprojekten.

Entscheidend ist dabei: Kohäsionspolitik darf sich nicht nur auf die weniger entwickelten Regionen konzentrieren. Auch Übergangsregionen und stärker entwickelte Regionen brauchen angesichts der zunehmenden Herausforderungen weiterhin eine angemessene Unterstützung.

Denn die Herausforderungen sind überall spürbar: die ökologische und digitale Transformation, die demografische Entwicklung und der daraus resultierende Fachkräftemangel. Wenn wir diese Aufgaben nicht erfolgreich angehen, entstehen daraus Probleme für die gesamte Europäische Union.

Kohäsionspolitik ist deshalb nicht nur eine regionale Förderung, sondern ein entscheidender Beitrag zur Stabilität Europas insgesamt.

Zweitens: Die Stärke der Kohäsionspolitik liegt im regionalen Ansatz. Das Partnerschaftsprinzip, das Mehrebenensystem und die geteilte Mittelverwaltung sind keine bürokratischen Spielereien, sondern Eckpfeiler des europäischen Gedankens.

Nur wenn Entscheidungen und Förderungen regional ansetzen, können sie passgenau wirken. Nur dann erleben die Menschen die Vorteile der Europäischen Union unmittelbar vor Ort.

Deshalb erteilen wir einer Zentralisierung der Förderinstrumente stärker auf nationaler Ebene eine klare Absage. Sie widerspricht dem Kerngedanken der Kohäsionspolitik und konterkariert ihre Ziele.

Die Bedarfe entstehen vor Ort – und deshalb müssen sie auch vor Ort adressiert werden. Gerade für Sachsen wäre ein Verlust an Gestaltungsspielräumen und direkten Fördermitteln dramatisch.

Wir brauchen die bewährten Instrumente – EFRE, ESF, den Fonds für einen gerechten Übergang –, um unsere Regionen zukunftsfest aufzustellen. Sei es beim Strukturwandel in der Lausitz oder in Südwestsachsen, sei es beim Thema Innovation oder nachhaltiges Wachstum.

Meine Damen und Herren,
die Kohäsionspolitik ist nicht irgendein Förderinstrument. Sie ist das Herzstück des europäischen Versprechens: dass keine Region zurückgelassen wird, dass Unterschiede abgebaut und Chancen geteilt werden.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den Antrag von CDU und SPD. Er sendet ein starkes Signal nach Berlin und Brüssel: Dass Sachsen die Kohäsionspolitik braucht, dass wir uns gegen eine Zentralisierung stellen – und dass wir eine solidarische, zukunftsfähige und dezentral verankerte EU wollen.

Und zugleich sage ich für meine Fraktion: Wir unterstützen den Antrag, aber wir wollen an einigen Stellen noch stärker an die Praxis vor Ort anknüpfen. Deshalb bringen wir einen Änderungsantrag ein, mit dem wir zusätzliche Impulse für die Grenz- und Strukturregionen setzen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Europa ist dort am stärksten, wo es konkret erlebbar wird. Und genau hier setzen wir BÜNDNISGRÜNE mit unserem Änderungsantrag an.

Wir wollen die gute Grundlage des vorliegenden Antrages ausbauen und noch näher an die tatsächlichen Bedarfe unserer Grenz- und Strukturregionen heranführen.

Erstens: Die INTERREG-Programme. Sie sind seit Jahren ein Motor für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Aber wir dürfen uns nicht auf klassische Begegnungsmaßnahmen beschränken.

Die Bedarfe vor Ort reichen weiter: Kultur- und Tourismusprojekte, kleinere Investitionsmaßnahmen, die die Menschen unmittelbar erreichen. Deshalb schlagen wir vor, auch solche Kleinprojekte zu fördern und die Fördermöglichkeiten insgesamt flexibler zu gestalten.

Zudem wollen wir ein praxisnahes Instrument einführen: eine pauschale Vorabzahlung nach Bewilligungsbescheid. Damit kleine Vereine nicht an der Vorfinanzierung scheitern. Das entlastet Ehrenamt und lokale Strukturen – und bringt Europa direkt zu den Menschen.

Zweitens: Trilaterale Projekte. Unser Dreiländereck ist ein einzigartiger europäischer Raum. Doch viele Förderprogramme denken bislang nur bilateral.

Wir wollen, dass künftig auch trilaterale Projekte unterstützt werden – in den Bereichen Klimaschutz, Verkehr oder regionale Wirtschaft. Denn die Herausforderungen hören an der Grenze nicht auf.

Drittens: Das Deutsch-Tschechische Regionalforum. Dieses Format hat sich in den letzten Jahren als wertvolle Plattform etabliert. Politik aus Bund, Land und Kommunen sowie Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft kommen hier zusammen. In unruhigen Zeiten brauchen wir diesen persönlichen Austausch. Deshalb sollte das Land gemeinsam mit dem Bund dieses Forum dauerhaft verstetigen und institutionell absichern.

Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns das Signal senden, dass keine Region zurückgelassen werden darf, dass Unterschiede abgebaut und Chancen geteilt werden müssen.

Sachsen hat in den letzten Jahrzehnten von dieser Solidarität enorm profitiert. Aber wir haben auch gelernt, wie wichtig es ist, die konkrete Ausgestaltung an die regionalen Bedarfe anzupassen.

Darum sage ich heute: Wir unterstützen den Antrag von CDU und SPD. Aber wir wollen mehr. Mehr Flexibilität, mehr Praxisnähe, mehr europäische und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Unser Änderungsantrag ist kein Gegenentwurf, sondern eine Ergänzung – damit Europa in Sachsen noch sichtbarer, greifbarer und wirkungsvoller wird.

Denn Europa ist nicht Brüssel allein. Europa ist Zittau, Chemnitz und Görlitz genauso wie Leipzig, Dresden oder das Vogtland, das Erzgebirge und natürlich Zwickau.

Herzlichen Dank.