Aktuelle Debatte Carolabrücke – Meier: Das Sondervermögen des Bundes ist nicht für Prestigeprojekte da, sondern für dringend benötigte Investitionen!
Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier zur Zweiten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion SPD: „Ein Jahr nach dem Einsturz: Richtige Lehren aus dem Fall Carolabrücke ziehen“
19. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11.09.2025, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir sind uns einig: Es grenzt an ein Wunder, dass beim Teileinsturz der Carolabrücke vor genau einem Jahr niemand verletzt wurde. Der Vorfall erschütterte Dresden, machte weltweit Schlagzeilen.
Der Einsturz wurde zum Symbol einer Infrastrukturkrise, geprägt von Investitionsstau und Korrosionsproblemen von Spannstahlkonstruktionen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, der Schweiz oder den USA.
Gerade weil die Problematik so weitreichend ist, müssen die richtigen Lehren für die Zukunft gezogen werden. Blicken wir dafür zunächst ein Jahr zurück:
Schnell gab es Rücktrittsforderungen und politische Schuldzuweisungen, die sich als haltlos erwiesen. Denn unter den BÜNDNISGRÜNEN-Baubürgermeistern wurde mehr in die Unterhaltung der Brückeninfrastruktur investiert als noch unter den CDU-Vorgängern. Im Falle der Carolabrücke waren das konkret zehn Millionen Euro seit 2019.
Auch das Gutachten von Prof. Marx von der TU Dresden stellte klar: Der Einsturz war kein Ergebnis mangelhafter Wartung, sondern Folge eines unvorhersehbaren Materialversagens, verborgen im Inneren der Brücke.
Wesentliche Konsequenz für die Zukunft:
- Betroffene Bauwerke müssen künftig mit neuen Methoden wie Schallemissionsmonitoring überwacht werden, um Schäden frühzeitig zu erkennen. Die Methoden der Bauwerksprüfung wurden angepasst.
- Baugleiche Konstruktionen mit Hennigsdorfer Spannstahl aus den 1960er bis 1980er Jahren wurden überprüft. In Sachsen führte das etwa zum Abriss der B101-Brücke bei Großenhain und zur zeitweisen Sperrung der Elbebrücke in Bad Schandau.
Bundesweit sind mindestens 70 Brücken betroffen, viele bereits gesperrt oder abgerissen – wie die vierte Ringbrücke in Magdeburg oder die Wuhlheide-Brücke in Berlin. Aber auch die Lage der kommunalen Infrastruktur ist nicht weniger besorgniserregend.
Sachsen hat 8.000 kommunale Brücken, deren Bauart und Zustand der Landesregierung nicht systematisch bekannt ist. Hier schlummern noch ungeahnte Sanierungs- und Finanzierungsbedarfe, die es unbedingt zu erfassen gilt.
Auch und insbesondere für diese Sanierungs- und Ersatzneubauprojekte ist das Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes notwendig, mit einem angemessenen kommunalen Anteil. Hier zusätzlich Geld abzuknapsen und eine MP-Sonderschatulle für Groß- und Prestigeprojekte lehnen wir BÜNDNISGRÜNE entschieden ab.
Aber zurück zur Carolabrücke: Dresden muss die mindestens 140 Millionen Euro Kosten größtenteils selbst stemmen. Statt den dringend nötigen Ersatzneubau zügig voranzubringen, hat der Stadtrat mit der Entscheidung für eine vierspurige Brücke jahrelange Verzögerungen in Kauf genommen – verbunden mit Mehrkosten von mindestens 30 Millionen Euro. Denn die zusätzlichen acht Meter Breite erzwingen ein Planfeststellungsverfahren, das die Fertigstellung um 3 bis 6 Jahre verzögert.
19 renommierte Verkehrswissenschaftler haben klar vor dieser Überdimensionierung gewarnt: zu teuer, städtebaulich schädlich und schlicht nicht mehr zeitgemäß. Zumal die Verkehrszahlen sinken und die B170 künftig nicht mehr durch die Innenstadt führen wird.
Doch statt auf Fakten und Expertise setzt der Stadtrat auf Ideologie und Bauchgefühl – und blockiert damit die dringend nötige schnelle Erneuerung.
Aber auch im Landeshaushalt sehen wir: Trotz Sanierungsstau werden neue Straßenprojekte angeschoben. Das Koalitionscredo „Erhalt vor Neubau“ wird für Wahlkreisgeschenke geopfert. Dabei ist klar: Jeder Euro für Neubau fehlt bei Instandhaltung – und die finanziellen Spielräume sind bereits heute knapp.
Ein Lehrstück für die Zukunft? Ja, aber so nicht.
Was aber lernen wir aus dem Einsturz der Carolabrücke?
- Technik kann versagen – auch ohne sichtbare Vorwarnung.
- Neue Untersuchungsmethoden müssen konsequent angewandt und finanziert werden.
- Forschung und Entwicklung sichert Know-how vor Ort.
- Sanierung und Wartung brauchen verlässlich eingeplante Mittel.
- Die Chance, die das Sondervermögen des Bundes bietet, darf nicht in Prestige-Projekte fließen, sondern vorrangig in den Abbau des Investitionsstaus.
- Verkehrsinfrastruktur muss bedarfsgerecht und zukunftsfähig entwickelt werden – jenseits von Ideologie.
Nur wenn Sie diese Lehren ernst nehmen, gelingt es, unsere Infrastruktur sicher, nachhaltig und finanziell tragbar zu gestalten.
Vielen Dank.