Datum: 03. Februar 2021

Tagebau Turów – Hammecke: Herausforderungen können wir viel eher auf europäischer Ebene lösen

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte der Fraktion BÜNDNISGRÜNE zum Thema "Tagebau Turów: Transparenz schaffen und EU-Recht einhalten – der Kohleausstieg ist eine europäische Aufgabe"
22. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 03.02.2020, TOP 2

Es gilt das gesprochene Wort –

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
 
Sachsen liegt mitten in Europa. Wir teilen unsere Grenze mit gleich zwei europäischen Nachbarn. Unsere Regionen sind eng miteinander verbunden – die Menschen, die in ihnen leben, noch enger. Sei es das tägliche Einkaufen, der Arzt auf der anderen Seite der Grenze oder die Familie, die eben nebenan wohnt.
 
Im Jahr 2021 sind wir eben mehr als deutsche Staatsbürger*innen, polnische Staatsbürger*innen, tschechische Staatsbürger*innen. Wir sind Unionsbürger*innen. Wir sind eingebunden in einen supranationalen Staatenverbund namens Europäische Union.
 
Das kommt für uns mit unglaublichen Freiheiten daher. Aber mit Freiheiten kommen auch Verantwortungen. Verantwortungen – und die Verpflichtung, sich an gemeinsam gegebene Regeln zu halten.
 
Turow ist dafür ein Beispiel. Sowohl für die enge Verknüpfung der Grenzregionen miteinander – aber auch ein Beispiel dafür, was passiert, wenn sich nicht an gemeinsam gegebene Regeln gehalten wird.
 
Auf die Belastungen sowohl der Umwelt als auch des Klimas und die ganz konkreten Probleme, die der Tagebau zum Beispiel in der Stadt Zittau auslöst, ist mein Kollege Dr. Daniel Gerber bereits eingegangen. Diese Probleme sind der Auslöser dafür, dass sich die Stadt Zittau und Dr. Daniel Gerber dafür entschieden haben, eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einzureichen.
 
Aber sie sind nicht die Einzigen.

 

Auch die tschechische Republik entschied sich gegen die massiven Umweltschäden, die auch auf tschechischem Gebiet entstünden, wenn Turów wie geplant ausgebaut wird, vorzugehen. 
Tschechien hat sich für eine Staatenklage gegen Polen entschieden. Und die Europäische Kommission hat Ende letzten Jahres auch anerkannt, dass Polen die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen nicht europarechtskonform umgesetzt hatte.
 
Auch wenn wir als Freistaat hier rechtlich nicht in der Lage sind, das Verfahren als Streithelfer zu unterstützen. Die Bundesrepublik Deutschland könnte es, sobald das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof läuft. Und sollte es meiner Meinung nach. Denn die Verletzung des EU-Rechts führt ganz massiv auch zu Auswirkungen hier in Deutschland, hier in Sachsen!
 


Aber gegen Turów gibt es nicht nur die Staatenklage, sondern auch eine Petition, die von der Region Liberec zusammen mit zehn Gemeinden und Greenpeace Tschechien bereits am 26. November 2019 beim Europäischen Parlament eingereicht wurde und bisher von über 13.000 Europäerinnen und Europäern unterzeichnet wurde.
 
Es zeigt sich, so verknüpft unsere Grenzregionen miteinander sind, so wichtig ist auch der besondere Schutz des Rechts der Regionen auf Einhaltung des EU-Rechts.
 
Alle EU-Bürgerinnen und -Bürger müssen sich dem Schutz ihrer Rechte und der europäischen Rechte sicher sein können. Nur so können wir innerhalb der Union gemeinsam vorangehen.
 
Und gemeinsam vorangehen müssen wir. Denn die Herausforderungen, die uns zukünftig erwarten, können wir viel eher auf der europäischen Ebene lösen. 



 

Deshalb wäre es jetzt sehr viel entscheidender statt der Unterstützung eines Tagebaus, der einen Energieträger fordert, der klimaschädlich, generationenungerecht und landschaftszerstörend ist und noch dazu zu Konflikten zwischen Europäischen Nachbarn führt, jetzt gemeinsam an der Umsetzung der Energiewende zu arbeiten. Das Gleiche gilt übrigens auch für Nordstream 2.
 
Die Energiewende und der damit zwingend erforderliche Kohleabbaustop wird zu großen Transformationsprozessen innerhalb der Kohleregionen führen. Und zwar grenzüberschreitend. So grenzüberschreitend wie die Klimakrise uns treffen wird, so grenzüberschreitend können und sollten wir jetzt auch die Bekämpfung eben dieser angehen. Der Just Transition Fund – das Geld, dass die europäische Union für Kohleausstiegsregionen zur Verfügung stellt – kann eine sehr wichtige Stütze eben dieses Prozesses sein.
 
Doch die Umsetzung dieses europäischen Konzepts scheitert momentan – wie so oft bei europäischen Vorhaben – an den Nationalen Regierungen. Während die polnische Regierung die Region um den Tagebau Turów nicht als potentielle Fördermittelregion für den JTF anerkennt, plant die deutsche Bundesregierung die Mittel aus dem JTF (einfach) mit den Mitteln des Strukturstärkungsgesetzes zu verrechnen.
 
Ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen europäischen Transformationsprozess in und mit den Regionen sieht anders aus. Und ich finde genau da sollten wir ansetzen. Wenn wir verstehen, dass unser Handeln im hier Auswirkungen auf andere hat – sei es der Grundwasserspiegel in Zittau durch den Tagebau in Turow oder der Meerespiegel weltweit bei Kohleverbrennung auch hier in Sachsen. Dann zeigt sich wie wichtig internationale Kooperation ist.
 
Vielen herzlichen Dank!

 

 

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