Rechte Richter am 27.3. in Dresden
Trotz des Streiks der Deutschen Bahn und des regionalen Nahverkehrs folgten am 27.3.2023 etwa 30 Zuhörende der Einladung zur Veranstaltung „Rechte Richter in Sachsen – Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen?“ in der „Grünen Ecke“ in Dresden. Die Veranstaltung fand im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ in Dresden vom 20. März bis zum 6. April 2023 statt.
Der innen- und rechtspolitische Sprecher der BÜNDNISGRÜNEN Fraktion, Valentin Lippmann, kam mit dem Autor des Buches „Rechte Richter“, Herrn Dr. Joachim Wagner, nach dessen Vortrag ins Gespräch.
Ausgehend vom Richterbild des Grundgesetzes referierte Dr. Wagner kurz zu rechtlichen Vorgaben der „politischen Richterin“ bzw. des „politischen Richters“. Einerseits schützt das Grundgesetz die richterliche Unabhängigkeit, andererseits beschränken sowohl das Gebot politischer Neutralität als auch das Mäßigungsgebot Richterinnen und Richter in ihrem Handeln. Diese Grundsätze regeln das Richter-, Disziplinarrecht und weitere beamtenrechtliche Dienstregelungen, soweit sie entsprechende Anwendung auf Richter*innen finden. Nicht nur in Sachsen schaffte aber die AfD ein neues Phänomen: Sympathisant*innen oder Parteimitglieder der AfD verletzen wiederholt diese Grundsätze.
Dr. Wagner berichtete kurzweilig von zahlreichen Grenzüberschreitungen in Sachsen, aber auch im gesamten Bundesgebiet. So verfolgen z.B. „Anti-Corona Richter“ in ihrer Rechtsprechung eine politische Agenda, sodass ihre Urteile durch den Instanzenzug aufgehoben werden. Auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung können einer solchen Entwicklung Einhalt gebieten, wie jüngst ein Fall in Thüringen. Den Eindruck rechtslastiger Amtsführung in Staatsanwaltschaften und Gerichten erläuterte Dr. Wagner sodann am Beispiel der Auslegung von Wahlplakaten. Einen dritten Typ der „Rechten Richter“ findet man in Fragen der Auslegung von Redebeiträgen oder Kommentaren im Netz zu politischen Themen, die im Spannungsfeld zwischen strafrechtlicher Relevanz von Aussagen und dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen. Jeder rechtslastige Einzelfall beschädigt dabei das Ansehen der und Vertrauen in die Justiz.
Doch wie geht der Rechtstaat mit „Rechten Richtern und Verfassungsfeinden“ um?
Dr. Wagner erinnerte an Grundsatz-Urteile wie das des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 20.11.20, RiZ R 4/20), wonach die richterliche Unabhängigkeit mit der Aufforderung, politische Statements in einem Urteil zu unterlassen, nicht verletzt wird. Er ermahnte die Dienstaufsicht, sich etwaiger Disziplinarverfahren anzunehmen und zügig zu handeln. Mit den gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln könne sogar die Entfernung aus dem Richterdienst erreicht werden, wie im Fall Meier durch die Versetzung in den Ruhestand im Interesse der Rechtspflege. Dass dies Erfolg verspreche, sehe man auch an einem Fall in Baden-Württemberg.
Valentin Lippmann erläuterte im Anschluss aus parlamentarischer Sicht die Verfahren gegen AfD-Abgeordnete in Berlin und Sachsen, die nach einer Legislatur im Bundestag in die Landesjustiz zurückstrebten. Den Konflikt zwischen Abgeordnetenrechten und den Rechten und Pflichten in der Justiz müssen man mit den geltenden rechtlichen Instrumentarien begegnen. Zugleich begab man sich mit der parlamentarischen Richteranklage auf juristisches Neuland. Das von der BÜNDNISGRÜNEN Fraktion im sächsischen Landtag in Auftrag gegebene Rechtsgutachten lieferte hierzu erste Antworten >
In der anschließenden Diskussion erörterten Joachim Wagner und Valentin Lippmann durchaus kontrovers die Fragen aus dem Publikum.
Zur Sprache kamen z.B. verfassungsrechtlichen Grenzen, um rechtsextrem(istisch)en Studierenden den Zugang zum Referendariat zu verweigern. Auch die anstehende Schöffenwahl 2024 in Sachsen sei in ihrer rechtspolitischen Bedeutung zu beobachten: bisher sei keine Unterwanderung der Justiz durch „rechte Laienrichter“, Verschwörungstheoretiker oder Reichsbürger zu verzeichnen – allerdings herrscht in den Beratungen auch eine richterliche Geheimnispflicht.
Valentin Lippmann warf zudem die Frage auf, was zu tun sei bei einer Radikalisierung im Amt. Nach Dr. Wagner müsse die Dienstaufsicht stärker und schneller reagieren und insgesamt wehrbereiter werden. Nur durch verstärkte Fortbildung und Sensibilisierung im öffentlichen Dienst könne man Radikalisierungsprozessen entgegenwirken. Auch die Jurist*innenausbildung müsse man in den Blick nehmen.
Zum Schluss wurde noch der Maßnahmenkatalog der Justizminister*innen gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst kritisch diskutiert: Handelt es sich um ein Strohfeuer oder wird es gesetzliche Nachschärfungen geben? Diesen und weiteren Fragen werden Valentin Lippmann und Dr. Joachim Wagner in einer weiteren Auflage der Veranstaltung am 24.10.2023 um 19.00 Uhr im Grünen Quartier in Leipzig nachgehen.
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