Datum: 10. September 2025

Wissenschaftsland Sachsen – Maicher: Kürzungen im Doppelhaushalt bremsen unsere Wissenschaftler:innen aus

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung zum Thema: „Zukunft des Wissenschaftslandes Sachsen in herausfordernden Zeiten“

18. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10.09.2025, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bedeutung unserer Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für Wirtschaft und gesellschaftliche Entwicklung hat Herr Staatsminister Gemkow in seiner Erklärung herausgestellt.

Er hat eine ganze Reihe guter Nachrichten für den Wissenschaftsstandort Sachsen im Koffer gehabt und die herausragende Arbeit der Forschenden in unserem Land gewürdigt. Ich habe das als Werbeblock für die Vielfalt und Güte unserer Forschungslandschaft verstanden, der an uns Abgeordnete gerichtet ist.

Wir BÜNDNISGRÜNE wissen um die strategische Bedeutung von Forschung und Wissenschaft. Wir wollen, dass die Dynamik des Wissenschaftsstandorts und die Attraktivität der Hochschulen in Sachsen auf hohem Niveau erhalten bleibt. Deshalb ist es mir wichtig, über die Herausforderungen zu diskutieren, für die es politische Lösungen braucht.

Ich sehe Herausforderungen bei den finanziellen Rahmenbedingungen, aber auch bei den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Denn die Attraktivität des Wissenschaftsstandort Sachsen hängt auch von der wahrgenommenen Handlungsfreiheit der Forschenden ab.

Zunächst zur finanziellen Ausgangslage. Wir alle kennen die Fakten zum aktuellen Doppelhaushalt, über die Konsequenzen haben wir bereits Ende Juni diskutiert. Die Fragen, die sich auch nach der aktuellen Berichterstattung zu den Sparmaßnahmen an den Hochschulen aufdrängen, sind: Was passiert im kommenden Doppelhaushalt? Sind wir auf einer vorübergehenden Talfahrt? Geht es nach der nächsten Kurve gar weiter bergab oder wieder etwas herauf? Auf was müssen sich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen einstellen?

Wir werden hier im Landtag wie immer über Nachsteuern reden. Ich sehe im Augenblick aber die Verantwortung bei der Staatsregierung. Sie muss ihren Schwerpunkt „Wissenschaft und Forschung“ nicht nur mit Worten hochhalten, sondern auch in einem Haushaltsentwurf zum Ausdruck bringen. Darüber werden Sie sich in der Regierung und der Koalition ja unterhalten.

Es ist jedenfalls keine gute Strategie, wenn ein Regierungsentwurf ein hartes Konsolidierungsdogma exekutiert, als wäre das ein technischer Akt. So kann man sich dann fachpolitisch mehr oder weniger unschuldig geben und die politische Verantwortung der Opposition im Landtag zuschieben. Aber so funktioniert das nicht! Es ist eine zutiefst politische Entscheidung, wenn Wissenschaft eben doch zur Verfügungsmasse gemacht wird.

Eines möchte ich hier festhalten, bevor es in die Details geht: Wenn Sie in den Entwurf große Löcher rein schneiden, dann kann das schiefgehen. So große parlamentarische Flicken gibt es dann womöglich nicht. Das sollten wir doch gelernt haben beim letzten Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, gerade wenn wir uns den Forschungsbereich anschauen.

Für den Wissenschaftsstandort bedeutet der aktuelle Doppelhaushalt erschwerte Rahmenbedingungen. Es ist natürlich erfreulich, dass es bei den Großforschungszentren voran geht. Die Erfolge der Universität Leipzig und der TU Dresden in der Exzellenzinitiative sind von außerordentlicher Bedeutung. Es ist hier wichtig, dass der Fehlbetrag für die Kofinanzierung der Exzellenzcluster zusätzlich bereitgestellt wird und nicht von den Mitteln für die Breite der Forschung und für die Hochschulen abgezogen wird.

Über 60 Prozent Kürzungen gegenüber dem Vorgängerhaushalt bei der Landesforschungsförderung und der Förderung europäischer Partnerschaften – das bremst unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerade gewaltig aus.

Aus dieser Talsohle müssen wir wieder herauskommen. Sonst wird es schwer, sich als innovationsstarke Region international zu behaupten. Wenn auf absehbare Zeit keine neuen Projekte mehr gestartet werden können, hilft auch keine Priorisierung. Das ist eine Verödung. Sehr viel Potenzial bleibt gerade auf der Strecke.

Auch die landesfinanzierten Forschungseinrichtungen haben übrigens aufgrund der Kostensteigerungen faktisch gerade eine Kürzung zu bewältigen. Das war bisher kein großes Thema, schwierig ist es trotzdem.

Es fehlt aktuell auch bei den Hochschulen. Zwar bleiben die Grundbudgets stabil. Ich will auch nicht das Bekenntnis der Staatsregierung zur Zuschussvereinbarung kleinreden – das ist ein wichtiges Signal.
Aber die globalen Minderausgaben in den Zielvereinbarungsbudgets, die alle Hochschulen verordnet bekommen haben, sind ehrlicherweise dann doch Kürzungen an der Grundstruktur.

Es gibt schmerzliche Einschnitte, gerade weil die vermeintlichen Sonderaufgaben eigentlich Daueraufgaben sind und grundlegende Entwicklungsschritte eigentlich planvoll finanziert werden müssten.

Die Hochschulen geraten durch Kürzungen und Kostensteigerungen doppelt unter Druck bei ihren grundlegenden Aufgaben. Personal wird nicht weiterbeschäftigt, Forschungsnachwuchsgruppen starten nicht. Was die Lage für die Digitalisierungsfortschritte bedeutet, wissen wir noch nicht. Eine gute Vorsorge für Forschung und dauerhafte Exzellenz ist das nicht, für Fachkräfteausbildung auch nicht.

Auf die Duale Hochschule ist Staatsminister Gemkow auch eingegangen. Diese ist zwar nicht von Kürzungen betroffen, für den eigentlich geplanten Strukturaufbau ist sie aber auch nicht ausgestattet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn die Defizite in der Fläche fortgeschrieben werden, dann sinkt langfristig der Stern des Wissenschaftslandes Sachsen.

Wir BÜNDNISGRÜNE stellen deshalb der Frage, was wir uns kurzfristig finanziell leisten wollen, die Frage gegenüber, ob wir uns eine Unterfinanzierung langfristig leisten können?

Dass gerade in Zeiten knapper Kassen nach Effizienzgewinnen bei den Verwaltungsstrukturen, nach Synergien auch zwischen den Hochschulen gesucht werden muss, ist selbstverständlich. Aber so richtig schlau bin ich aus der Rede des Staatsministers noch nicht geworden. Ist das jetzt der einzige politische Pfad, wie Sie mit den Defiziten bei der Förderung umgehen? Wie kommen wir da zu einer Bewertungsgrundlage? In welchem Umfang müssen darüber hinaus Kostensteigerungen abgefangen werden, um die Strukturen zu erhalten und Entwicklungsfähigkeit zu ermöglichen?

Strukturell vorwärts kommen müssen wir auch bei der Absicherung von guter Lehre, guten Arbeits- und Studienbedingungen, um die Attraktivität unserer Hochschulen zu halten. Zu den Personalstrukturen im akademischen Mittelbau steht eine Überprüfung der Umsetzung des Hochschulgesetzes an. Wie werden die neuen Personalkategorien Managerin und Lektor nun konkret umgesetzt nach Funktionalität und Deputat?

Auch die soziale Infrastruktur ist ein wichtiger Faktor für die Attraktivität unserer Hochschulen. Für uns BÜNDNISGRÜNE war es deshalb ein zentrales Anliegen im Doppelhaushalt, die Studierenden zu entlasten. Gemeinsam mit der Linksfraktion haben wir 5 Millionen Euro pro Jahr für die Studierendenwerke aufgestockt, damit studentisches Wohnen und Essensversorgung bezahlbar bleiben, Beratungsangebote fortgesetzt werden und die Semesterbeiträge nicht immer weiter steigen.

Und liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Erfolg des Freistaates als Wissenschaftsland hängt von weiteren Rahmenbedingungen ab. Das fängt schon bei den unendlich langen Einbürgerungsverfahren an, die zugewanderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Ausübung ihrer Tätigkeit hindern. Das ist ein Wettbewerbsnachteil, der dringend abgeschafft werden muss!

Ein großes Problem ist die zunehmende Wissenschafts- und Innovationsfeindlichkeit. Wenn Forschungsthemen zu Geschlecht, Migration, Extremismus oder Klimaschutz öffentlich delegitimiert werden, wenn Forschende gar persönlich angefeindet werden, dann ist das keine abstrakte Debatte für den akademischen Salon. Es trifft Forschende persönlich. Es schreckt jungen Talente aus dem In- und Ausland ab. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.

Dazu möchte ich zu guter Letzt anmerken: Es ist nicht hilfreich, wenn die Staatsregierung die Hochschulautonomie beschneidet, nur um identitätspolitische Themen bis in die letzte Ader der Gesellschaft zu drücken.

Das Verbot, selbst über sprachliche Mittel zur Gleichstellung und Inklusion zu entscheiden, mag als Petitesse erscheinen. Eine solche Machtdemonstration verstärkt aber genau die Stimmung, dass es mit Innovationsfreundlichkeit und gesellschaftlichem Fortschritt in Sachsen bergab geht. Wenden wir uns lieber wichtigeren politischen Baustellen zu.