Wehrpflicht & Freiwilligendienst – Lippmann: Junge Menschen müssen eigenständig entscheiden können, ob sie den Wehrausbildungsdienst antreten wollen
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Nein! zur Wiedereinführung der ausgesetzten Wehrpflicht durch die Hintertür – Ja! zur Aufwertung und Stärkung der sozialen Freiwilligendienste.“
19. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11.09.2025, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
gestern Morgen sind erstmals russische Drohnen in den Polnischen Luftraum und damit in das Gebiet der NATO eingedrungen. Russland testet offenbar bereits jetzt unsere Abwehrfähigkeit.
All jenen, die meinen, der Krieg sei weit weg, wir nicht ernsthaft bedroht und Russland hege nur friedliche Absichten, müssen in Anbetracht von Drohnen, die nur 400 Kilometer von hier abgefangen werden, endlich erkennen, dass die Lage Ernst ist. Die Sicherheit Europas und die Werte, für die es steht, sind in Gefahr.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
es gilt einmal mehr die Abwehrbereitschaft Europas zu stärken und damit auch Deutschlands. Die Friedensordnung, wie wir sie in Europa jahrzehntelang kannten und vor deren Hintergrund 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, existiert so nicht mehr.
Deshalb ist es zwingend notwendig, neben der Ausrüstung der Bundeswehr auch die Frage in den Mittelpunkt zu rücken, wer wie ausgebildet werden kann, um im Falle des Falles unser Land, unsere Demokratie, unsere Freiheit zu verteidigen.
Und das geht weit über die Frage hinaus, wie viele Rekruten die Bundeswehr zur Wehrausbildung heranziehen kann. Denn wir erleben doch gerade, dass Sicherheit mehr ist als klassische Landesverteidigung.
Hybride Angriffe, bei denen statt des Abzugs die Enter-Taste betätigt werden, können erheblichen Schaden anrichten. Und bei einem erfolgreichen Angriff auf die kritische Infrastruktur braucht es von THW bis Katastrophenschutz alles, was der Bevölkerungsschutz hergibt.
Genau so, wie wir BÜNDNISGRÜNE dafür gesorgt haben, dass im Sondervermögen Bevölkerungsschutz größer gedacht wird, die Nachrichtendienste und der Zivilschutz mit einbezogen werden, muss man auch die Personalfrage größer denken.
Deswegen kann für uns die Wehrpflicht von damals keine Antwort auf die Bedrohung von heute sein. Es geht vielmehr darum, so viele Menschen wie möglich für einen Dienst an unsere Gesellschaft zu gewinnen, um unsere Gesellschaft stark zu machen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Resilienz und deshalb halten wir auch die Freiwilligkeit der Wehrausbildung für essentiell.
Es ist wichtig, dass junge Menschen eigenständig entscheiden können, ob sie den Wehrausbildungsdienst antreten wollen. Denn die Diskussion, die wir hier gerade führen, greift massiv in ihre Lebensplanung ein.
Auch ist es wichtig, in diesem Zuge über attraktivere Rahmenbedingungen der Bundeswehr zu diskutieren. Das betrifft nicht nur die Arbeitsbedingungen oder die Entlohnung. Denn es gibt genügend Menschen, die nicht bereit sind, ihren Dienst in einer Truppe zu verrichten, die aus deren Sicht immer noch zu wenig gegen Rechtsextremismus und Sexismus tut.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
gleichzeitig ist es wichtig, die Emotionen, die die Debatte bei den jungen Menschen hervorruft, ernst zu nehmen. Es ist jene Generation, deren Heranwachsen von multiplen Krisen geprägt ist und die in den nächsten Jahren vor weiteren Herausforderungen stehen wird.
Deshalb müssen die jungen Menschen bei dieser Entscheidung mit einbezogen und ihnen ebenso Alternativen angeboten werden, auch in Freiwilligendiensten.
Vom Einsatz der Freiwilligen profitieren nicht nur soziale, sondern auch ökologische, kulturelle und weitere Einrichtungen in Sachsen tagtäglich. Damit dieses Engagement verlässlich wirken kann, braucht es mehr als Anerkennung – es braucht stabile Strukturen.
Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir BÜNDNISGRÜNE uns in der Regierung für attraktivere Bedingungen im Freiwilligendienst eingesetzt und auch wieder im Zuge des Haushaltsverfahren.
Darüber hinaus ist es uns als BÜNDNISGRÜNE wichtig, beim Freiwilligendienst alle Generationen mit in den Blick zu nehmen. Die junge Generation darf nicht das Gefühl bekommen, dass sie allein nun all die Fehlstellen ausgleichen muss, die in der Politik der letzten Jahrzehnte entstanden ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Wenn wir möglichst viele Menschen davon überzeugen können, dass unsere Republik etwas ist, für das es sich einzusetzen lohnt, wenn wir einen neuen Geist des Einsatzes für unsere Werteordnung schaffen, dann wird davon auch die Bundeswehr profitieren.
Dann gilt es, die Bundeswehr auch als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren, ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren und zu werben.
An dieser Stelle in Richtung von Teilen der Antragsteller: Polemisierungen gegen die Bundeswehr als Ort, an dem die Seele für ein paar Liegestütze im Deutschlandtrikot verkauft wird, zeigen, dass man immer noch nicht verstanden hat, wie ernst die Lage ist.
Demokratie, Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit – es ist die Aufgabe unserer ganzen Gesellschaft, sie zu verteidigen.
Vielen Dank.