Datum: 29. Oktober 2025

Aktuelle Debatte Asyl – Schubert: Die AfD schürt Sozialneid und lenkt von den echten Herausforderungen ab

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion AfD: „Asylmagnet abschalten – Missbrauch des Sozialsystems beenden“

20. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.10.2025, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Titel dieser Debatte ist typisch AfD. Rechtsaußen nichts Neues. Ich will bei so einem Antrag über Fakten sprechen.

Unser Sozialsystem braucht Reformen; das ist eine grundsätzliche Frage. Das sagen wir auch als BÜNDNISGRÜNE seit Jahren. Es muss einfacher werden, digitaler und generationengerechter. Wir müssen beispielsweise Gerechtigkeitslücken schließen, zum Beispiel im Erbrecht. Im Gesundheitssystem gehört die Beitragsbemessungsgrenze weg, Beamte und Selbstständige müssen einbezogen werden. Versicherungsfremde Leistungen sollen endlich aus Steuern bezahlt werden. Wir müssen kleine Renten gezielt stärken. Die Fachkräfteeinwanderung muss stärker werden, Integration schneller. Frauen müssen besser Arbeit und Familie vereinbaren können. Das ist Reformpolitik, die wir dringender brauchen als die pauschale Behauptung der AfD, Geflüchtete würden das Sozialsystem missbrauchen und überlasten.

Wenn wir über das Sozialsystem sprechen, sprechen wir über Rente, Gesundheit, Pflege, Kinder und Jugend, Menschen mit Behinderungen. Die Ausgaben zeigen ein klares Bild. Für Alter und Hinterbliebene: über 500 Milliarden Euro. Für Krankheit und Invalidität: ebenfalls über 500 Milliarden. Für Arbeitslosigkeit rund 45 Milliarden. Für das Bürgergeld 26 Milliarden. Und für das Asylbewerberleistungsgesetz etwa 21 Milliarden. Der größte Brocken im System sind also die Ausgaben für alte und kranke Menschen. Dieser Brocken wächst. Deutschland wird älter, gerade Sachsen nimmt eine Sonderrolle ein. Weniger Kinder, mehr Ältere. Ab 2035 wird fast jeder dritte Mensch über 65 sein. Zwei Erwerbstätige müssen die Rente und die Gesundheitsversorgung des Dritten mittragen.

Wenn wir dieses System sichern wollen, brauchen wir genug Menschen, die hier arbeiten. Ohne Zuwanderung bricht die Rechnung zusammen. Das sagt nicht irgendeine Partei. Das sagen Arbeitsagentur und Wirtschaft.

Bis Ende des Jahrzehnts fehlen 150.000 Fachkräfte in Sachsen. Insgesamt fehlen nach Schätzungen der Arbeitsagentur über 300.000 Arbeitskräfte. Besonders in der Altenpflege, im Gesundheitswesen und in der Fahrzeugtechnik. Wir brauchen Einwanderung. Diese Debatte heute ist kein Beitrag dazu, wie wir Menschen gewinnen und schnell in Arbeit bringen.

Ein Drittel der Menschen mit Migrationsgeschichte in Sachsen ist im Übrigen erwerbstätig. Das ist ein guter Schnitt, wenn man weiß, dass viele Kinder und Alte unter den Geflüchteten sind. Wer ankommt, muss Sprache lernen, muss oft auf eine Arbeitserlaubnis warten. Trotzdem gelingt Integration. Das ist Leistung. Darauf sollten wir den Blick richten.

Asyl ist ein Menschenrecht. Menschen fliehen nicht, weil sie sich bereichern wollen. Sie fliehen vor Krieg, vor Folter, vor Verfolgung. Wer Fluchtursachen bekämpft, schützt Menschen und entlastet Systeme. Dazu im vorliegenden Antrag kein Wort.

Deutschland leistet sich noch immer den Fehler, Menschen, die zu uns kommen, die arbeiten wollen und können, auszubremsen. Wer nach Schutz sucht, muss erst drei Monate warten, bevor er arbeiten darf, und braucht eine Erlaubnis. Sprachkurse gibt es oft nicht sofort, Kinder werden zu oft noch zu lange nicht beschult. Das passt nicht zusammen. Hier wird Potenzial verschwendet.

Wer Geflüchteten von Anfang an Sprachkurse ermöglicht und Arbeit erlaubt, sorgt dafür, dass sie schnell beitragen. Statt Last werden sie Teil der Lösung.

Was Sie hier von der AfD treiben, ist das Kerngeschäft rechter Gesinnung. Große Worte für kleine Clips in sozialen Medien. Halbwahrheiten. Keine Lösungen. Sie bewirtschaften Sozialneid und lenken von den echten Herausforderungen ab.

Wir wollen etwas anderes: Reformen im Sozialsystem, Schutz von Menschenrechten. Wir setzen auf Zuwanderung, die dieses Land braucht – auch für ein tragfähiges Sozialsystem. Wir halten dagegen, wenn Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Solange es notwendig ist – immer wieder.