Sechster Medienänderungsstaatsvertrag – Maicher: Angesichts der rasanten Medienentwicklung werden wir weiteren Aufholbedarf haben
Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zum Sechsten Medienänderungsstaatsvertrag“ (Drs 8/2275)
20. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.10.2025, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die wesentlichen Punkte dargelegt. Das brauche ich nicht wiederholen. Ich möchte noch auf zwei Aspekte eingehen, die in der Anhörung kritisch diskutiert wurden.
Da ist einmal die Praxistauglichkeit. Mit der Jugendschutzvorrichtung erhalten Eltern und Bezugspersonen ein zusätzliches Instrument. Wenn sie die Alterseinstellung im Betriebssystem ausprobieren und dann feststellen, dass es für sie nicht funktioniert, dann lassen sie es wieder. Das wird häufig der Fall sein, z.B. wenn Geschwister dasselbe Gerät nutzen. Da man nur eine einzelne Altersstufe einstellen kann und nicht verschiedene Nutzerprofile, ist es zu umständlich, das jedes Mal umzustellen. Oder jüngere Kinder nutzen das Gerät einfach mit der Schutzeinstellung für ältere Geschwister. Was auch nicht der gewünschte Effekt ist. Solche Fehlwirkungen werden keine Ausnahme bleiben.
Eine weitere Problematik ergibt sich aus kinderrechtlicher Perspektive: Die One-Button-Lösung klingt unkompliziert, ist aber starrer als bisherige Jugendschutzprogramme. Das Betriebssystem schränkt Inhalte und Apps für eine Altersfreigabe auf einem einheitlichen Schutzniveau ein. Individueller Reifegrad und persönliche Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen werden außer Acht gelassen. Ohne differenzierte Regelung leidet ihr Recht auf Zugang zu einem breiten Informationsangebot, weil sie ihre Interessen und Bedürfnisse dann kaum selbständig in der Vielfalt der Medienwelt verfolgen können. Besonders aufpassen müssen wir, dass Hilfs- und Beratungsangebote unabhängig von den Eltern nutzbar bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sollten nicht davon ausgehen, dass neue technische Lösungen automatisch zu Verbesserungen führen. Die Medienregulierung ist ein unterstützender Baustein. Wesentlich sind ausreichend medienpädagogische Angebote auch im Freistaat Sachsen, die Eltern und Fachkräfte unterstützen. Beides sollte ineinandergreifen.
Dieser Staatsvertrag geht insgesamt in die richtige Richtung. Angesichts der rasanten Medienentwicklung werden wir weiteren Aufholbedarf haben. Ein wichtige Neuerung ist beispielsweise, dass das Schutzziel der „persönlichen Integrität“ mit in die Altersbewertungen einfließt. Das soll mehr Schutz vor Cyber-Mobbing und Cyber-Grooming bieten und Eltern helfen, ihren Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.
Es bleibt abzuwarten, wie diese und andere Regelungen tatsächlich wirken. Wir werden sie dann neu diskutieren.
Trotz einiger Bedenken werden wir dem Staatsvertrag zustimmen.