Landzahnarztgesetz – Löser: Wir brauchen eine echte Versorgungsstrategie, doch genau die fehlt CDU und SPD bisher
Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU, BSW und SPD: „Gesetz zur Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung in Bedarfsgebieten im Freistaat Sachsen“ Drs 8/4185
22. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 03.12.2025, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir beraten heute über das Sächsische Landzahnarztgesetz – einen Gesetzentwurf, der sich einem drängenden Problem unseres Gesundheitswesens stellt: der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung, besonders im ländlichen Raum.
Und lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen: Die Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung ist wichtig, und es ist gut, dass die Minderheitenkoalition die Initiative ergreift, aber dieser Gesetzentwurf kann nur ein Baustein sein. Denn die Zahlen sind eindeutig und alarmierend. In den kommenden zehn Jahren werden in Sachsen rund 700 Zahnärztinnen und Zahnärzte altersbedingt ihre Praxen schließen.
Gleichzeitig stehen uns nur 109 Studienplätze Zahnmedizin zur Verfügung – und diese können an den Universitäten Leipzig und Dresden ausschließlich zum Wintersemester begonnen werden. Mit einer Quote sollen künftig bis zu 9 dieser 109 Plätze pro Wintersemester an Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, später in Bedarfsgebieten zu arbeiten.
Neun potenzielle Landzahnärztinnen und Landzahnärzte – gegenüber 700 Praxisschließungen in den nächsten zehn Jahren. Das zeigt: Dieser Gesetzentwurf reicht bei weitem nicht aus, um die Versorgung zu sichern. Die Anhörung im Ausschuss hat uns das sehr klar vor Augen geführt.
Die Zahnärzteschaft – Kammer wie Kassenzahnärztliche Vereinigung –, aber auch Krankenkassen und Studierendenvertretungen haben betont: Die Regionen mit der höchsten Unterversorgung sind die Regionen mit der ältesten Bevölkerung – und damit mit dem höchsten Behandlungsbedarf. Gleichzeitig zieht es junge Menschen aus genau diesen Regionen weg.
Was wir in Sachsen bräuchten, wäre ein umfassendes Maßnahme-Programm zur zahnmedizinischen Versorgungssteuerung. Ein Konzept, das folgende Themen bedenkt: Studienkapazitäten, Nachwuchsförderung, Niederlassungsanreize, Delegation und Telemedizin.
Wir bräuchten ein Konzept, welches Förderinstrumente für angehende Zahnärztinnen und Zahnärzte ausbaut: Anreize wie ein Landzahnarzt-Stipendium, Investitionszuschüsse für Praxisgründungen, Unterstützung für mobile und aufsuchende Versorgung, und eine echte Nachwuchsförderung bereits während des Studiums. Doch ein solches Gesamtkonzept fehlt bis heute.
Einer der deutlichsten Kritikpunkte der Studierendenvertretung in der Anhörung war: „Über uns wird entschieden – aber selten mit uns.“ Wenn wir wollen, dass junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in ländlichen Regionen arbeiten, dann müssen wir ihre Perspektiven und Lebensrealitäten stärker einbeziehen. Wir brauchen Beteiligungsformate, Mentoringprogramme und eine ernsthafte Kooperation mit den Universitäten.
Politik muss gemeinsam mit der jungen Generation entwickelt werden – nicht ohne, oder gegen sie. Hinzu kommt: Statt auf Motivation zu setzen, versteift sich die Staatsregierung auf Verpflichtung und Sanktionen.
Die Kritik der Studierenden aus der Anhörung nehmen wir sehr ernst. Junge Menschen sollen ihren Lebensmittelpunkt über ein Jahrzehnt hinweg festlegen, unabhängig davon, wie sich ihr Leben oder ihre familiären Rahmenbedingungen entwickeln. Und das unter einer sehr harten Vertragsstrafe.
Gleichzeitig ist die Regelung sozial höchst selektiv: Wer es sich leisten kann, kauft sich frei. Wer es sich nicht leisten kann, wird in eine langfristige Bindung gedrängt. Wie solche Regelungen tatsächlich wirken, ist bislang nicht evaluiert – doch bevor wir Erkenntnisse aus der bestehenden Landarztquote haben, wird bereits die nächste Teilquote eingeführt.
Meine Damen und Herren,
der demografische Wandel, die Abwanderung junger Menschen aus den ländlichen Räumen und der steigende Behandlungsbedarf älterer Menschen treffen in der Zahnmedizin mit großer Wucht aufeinander.
Wenn wir die Versorgung wirklich sichern wollen, müssen wir größer denken, früher ansetzen und breiter handeln. Wir müssen junge Menschen begeistern. Wir müssen attraktive Perspektiven schaffen. Und wir müssen mit den Studierenden reden statt über sie.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Wir werden uns zum Gesetzentwurf enthalten, da uns eine echte Versorgungsstrategie fehlt und uns einige Regelungen zu restriktiv erscheinen. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass die Minderheitenkoalition an diesem wichtigen Thema arbeitet.
Vielen Dank!