Corona-Antrag – Löser: Ein Signal an all jene, die seit Jahren kämpfen – oft im Verborgenen und ohne Hilfe
Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen BÜNDNISGRÜNE, CDU, SPD und Die Linke: „Unterstützung für Betroffene – für eine bessere Versorgung bei Long-/Post-COVID, ME/CFS und Impfkomplikationen nach einer COVID-19-Schutzimpfung“ Drs 8/4899
22. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 03.12.2025, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir beraten heute einen Antrag, der für zehntausende Menschen in Sachsen nicht nur politisch relevant, sondern persönlich existenziell ist. Es geht um diejenigen, die seit Jahren in Folge der Corona-Pandemie krank sind, die nicht gesehen werden, deren Symptome unsichtbar sind – und deren Leid dennoch zum Teil riesig ist.
Wir wollen heute nicht über das Thema reden, ohne die Menschen dahinter zu sehen. Frau Katharina Klausch hat es im August vor unserer Enquete-Kommission Corona so formuliert: „Man sieht es nicht, dass mir die Augen brennen. Man sieht nicht, dass ich nach dem Schuhe zubinden nach Luft ringe. Man sieht nicht, dass ich nachts Nahrung zu mir nehmen muss, weil mein Körper keine Energie hat. Man sieht es einfach nicht.“
Und sie sagte weiter: „Sie sehen die Zustandsverschlechterung nicht – den Crash, der kommt, wenn man einen kleinen Schritt zu viel gemacht hat.“
Diese Worte stehen sinnbildlich dafür, was Long-COVID, ME/CFS und Post-Vac bedeuten können: Erkrankungen, die Menschen nicht unbedingt anzusehen sind, die den Menschen unsichtbar und damit für Außenstehende oft unglaubwürdig machen – und die genau deshalb im System durchfallen.
Elena Lierck von NichtGenesenKids hat uns eindrücklich geschildert, was für Kinder Long-Covid bedeutet: „Draußenkinder, das sind jetzt die, die hinter den Gardinen in dunklen Zimmern sind. Die raus aus dem Leben sind.“
Und über ihre eigene Tochter sagt sie: „Fünf Jahre hat sie verloren. Fünf Jahre, die ihr niemand zurückgeben kann.“
Es gibt Kinder in Sachsen, die nicht mehr zur Schule gehen können. Kinder, die seit Monaten oder Jahren bettlägerig sind. Familien, die völlig überfordert sind – nicht nur medizinisch, sondern finanziell, sozial und psychisch. Wenn ein 16-jähriges Kind nur noch mit Karten kommunizieren kann, weil jedes Geräusch und jeder Lichtstrahl Schmerzen verursacht, dann dürfen wir nicht wegsehen. Dann müssen wir handeln.
Uns erreichte ein schriftlicher Hilferuf einer erwachsen betroffenen Person aus Sachsen, und Erhebungen sprechen von ca. 40.000 Betroffenen allein in Sachsen. Darin heißt es: „Vor meiner Erkrankung hatte ich ein aktives Berufs- und Privatleben. Von dieser Corona-Infektion habe ich mich nie wieder erholt.“ Die Person beschreibt einen Alltag mit „15 bis 20 Prozent Energie“ im Vergleich zum gesunden Befinden:
Besonders erschütternd ist der Umgang im Versorgungssystem: „Ich bin immer wieder auf Skepsis, Unkenntnis und den Vorwurf psychischer Ursachen gestoßen. Gutachter hatten kaum Wissen über ME/CFS und Long Covid.“ Und weiter: „Während andere schwere Erkrankungen schnell anerkannt werden, kämpfen wir um jede Unterstützung. Ohne Kraft – und ohne Perspektive.“ Dieser Hilferuf steht stellvertretend für viele.
Ein weiterer Bereich, der in der Debatte um die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie oft übersehen wird, betrifft Menschen nach Impfkomplikationen in Folge einer Corona-Schutzimpfung, also das Krankheitsbild Post-Vac. Auch hier sind die Symptome vielfältig, oft ähnlich mit Post-COVID – schwere Erschöpfung, Belastungsintoleranz, neurologische Beschwerden, Herz-Kreislauf-Probleme, aber auch dauerhafte organische Schädigungen.
Doch gerade bei Post-Vac erleben viele eine besonders schwierige Situation: Die Anerkennung als Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz ist langwierig, intransparent und für viele kaum allein zu bewältigen. Selbst aus Sicht der Betroffenen eindeutige medizinische Verläufe führen häufig zu Ablehnungen oder zu mehrjährigen Verfahren. Viele Betroffene erleben dies als doppelte Belastung: gesundheitlich schwer betroffen – und gleichzeitig mit einem System konfrontiert, dass sie im Zweifel allein lässt.
Das sind Menschen, die sich in der Pandemie solidarisch verhalten haben und die jetzt zu Recht auf die Solidarität der Gesellschaft hoffen. Leider bisher zu oft vergeblich. Auch für diese Menschen brauchen wir eine Anerkennung der schwierigen Situation und echte Unterstützungsstrukturen.
Sehr positiv ist, dass wie wir letzte Woche erfahren haben, dass der Bund mit der „Nationalen Dekade gegen postinfektiöse Erkrankungen“ endlich handelt: 500 Millionen Euro in zehn Jahren für die Erforschung postinfektiöser Erkrankungen, Forschungsprogramme zu Ursachen, Mechanismen und Therapieoptionen.
Zusätzlich zur Dekade werden bis 2028 insgesamt 34 Projekte mit 118 Millionen Euro gefördert. Hier liegen die Schwerpunkte u.a. auf der epidemiologischen Forschung, der Aufklärung sowie der Versorgung von Betroffenen. Ziel ist der Aufbau einer bundesweiten Versorgungslandschaft zur schnelleren Diagnosestellung und Behandlung von Long-COVID und ME/CFS.
Darüber hinaus hat der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen inzwischen vier Wirkstoffe zur Prüfung neuer Medikamente benannt. Wenn diese freigegeben werden, wären erstmals erstattungsfähige Therapieoptionen für die schwersten Fälle in Sicht.
Für viele Betroffene wäre das ein erster Hoffnungsschimmer nach Jahren völliger therapeutischer Leere.
Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass der Bund alles regelt. Auch wir hier in Sachsen können Betroffenen konkret helfen. Unser gemeinsamer Antrag von CDU, SPD, Linke und BÜNDNISGRÜNE setzt genau da an. Wir wollen:
- spezialisierte Anlaufstellen in Sachsen ausbauen,
- eine wohnortnahe Versorgung für Betroffene schaffen,
- Telemedizin und aufsuchende Versorgung fördern,
- Gutachter und Sozialbehörden qualifizieren,
- Schulen und Kinderärzte sensibilisieren und Beschulung sowie Nachteilsausgleiche ermöglichen, soweit es geht
- ein verlässliches und strukturiertes Versorgungs- und Beratungssystem schaffen, sowie
- in Forschung und Entwicklung für Medikamente von Long Covid investieren und Ursachen von Impfschäden mittels vergleichender Erforschung besser beschreiben.
Zum Schluss möchte ich noch einmal die Worte der Betroffenen zitieren: So sagte die eingangs zitierte Frau Klausch zur Anhörung: „Sie sehen uns heute. Morgen und übermorgen werden Sie uns nicht sehen – wir liegen dann wieder.“ Und Frau Lierck sprach für die erkrankten Kinder und Jugendlichen: „Diese Kinder wollen leben, spielen, die Welt entdecken – sie wollen nicht im Bett liegen.“
Meine Damen und Herren,
wir können heute ein starkes Signal setzen. Ein Signal an all jene, die seit Jahren kämpfen – oft im Verborgenen, oft ohne Kraft, oft ohne Hilfe.
Ich bitte Sie: Unterstützen Sie diesen Antrag. Für die Betroffenen und ihre Familien. Für ein menschliches und verantwortungsbewusstes Sachsen.
Ich möchte mich noch einmal sehr herzlich bei den Fraktionen von CDU, SPD und Linken sowie beim Staatsministerium für Soziales und Frau Staatsministerin Köpping für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Gleiches gilt natürlich auch für die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen, für die viele Abstimmungsarbeit.
In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. Vielen Dank.