Datum: 04. Dezember 2025

Aktuelle Debatte „Böllerfrei ins neue Jahr“ – Schubert: Das ist Politik im Interesse von Tierwohl, Umweltschutz und öffentlicher Sicherheit

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE zum Thema: „Böllerfrei ins neue Jahr: Tiere und Umwelt schützen, Rettungskräfte entlasten“

23. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 04.12.2025, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

mein letzter Gang vor dem Jahreswechsel führt mich immer zum Winterstall meiner Schafe. Die sind robust, müssen sie im Oberlausitzer Winter auch sein. Ich bringe sie nicht rein, weil es zu kalt ist — sondern, um ihnen einen Schutzraum vor dem Albtraum der Silvesternacht zu geben, wie man ihn Jahr für Jahr erleben kann. In grenznahen Regionen, ich komme selber aus einer, ist das besonders krass; schon in meiner Jugend kam es in meinem Umfeld zu zerfetzten Trommelfellen, weggesprengten Fingern und derlei Verletzungen. Auch im letzten Jahr starben in Sachsen leider wieder zwei Menschen durch den Umgang mit so heftigen Böllern.

Wer Tiere hat — sei es Nutz- oder Haustiere — weiß: Die Knallerei setzt ihnen extrem zu. Wildtieren geht es nicht anders. Herzrasen, Panik, Orientierungslosigkeit — Tiernotdienste berichten jedes Jahr von dramatisch steigenden Einsatzzahlen rund um Silvester. Nicht selten endet das in Verletzungen — oder im Straßenverkehr, mit Gefährdung auch für Menschen. Vögel fliegen panisch hoch, verlieren Energie, verenden in frostiger Höhe. Wildtiere, mit ohnehin knappen Reserven im Winter, verbrauchen zusätzliche Energie. Plastik- und Metallreste von Raketen oder Böllern führen zu schweren Verletzungen, Vergiftungen oder Schnittverletzungen bei Haus- und Wildtieren.

Das zu thematisieren, das ist für uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verantwortung und wir nennen das das Mitgefühl mit Mitgeschöpfen.

Tierleid ist nur ein Teil des Problems. Die Umwelt und unsere Gesundheit leiden ebenso. Feinstaub, chemische Rückstände, Ein großer Teil des Mülls landet übrigens aber auf Grünflächen und in Gewässern.

Die Kommunen, die den ganzen Mist von den Straßen wieder entfernen müssen, denn die Leute räumen ihren eigenen Böllermüll immer seltener noch weg – haben Kosten. Und in diesen Zeiten ist das Geld, das anderweitig besser eingesetzt werden könnte. Es ist zum Fremdschämen, wie erwachsene Menschen ihren Kindern vorleben, dass sie ihren Müll nicht mehr selbst wegräumen müssen.

Wie ist die Entwicklung?

Eine aktuelle Umfrage des Instituts YouGov im November 2025 ergab: 63 Prozent der Befragten in Deutschland wollen an Silvester gar kein Feuerwerk zünden, weitere 13 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass sie verzichten. Nur ein kleiner Bruchteil plant sicher zu böllern. Nur 9 Prozent sind gegen Einschränkungen.

Als Gründe nennen 52 Prozent das Tierleid, 40 Prozent Müllproblematik, 32 Prozent die Verletzungsgefahr, 29 Prozent Belastungen für Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei und 28 Prozent die Feinstaubbelastung.

Und bereits im Januar dieses Jahres haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Gewerkschaft der Polizei dem Bundesministerium des Innern mehr als 1,9 Millionen Unterschriften aus zwei Petitionen für ein generelles Verbot privaten Feuerwerks übergeben — eine der größten zivilgesellschaftlichen Mobilisierungen in Deutschland.

Bei einer Umfrage der LVZ vom 2. Januar 2025 waren 66,2 Prozent der Befragten für privates Böllerverbot. Bei Civey sind es nach einer Umfrage im November 2025 57%, die ein Böllerverbot befürworten.

Diese Zahlen sind mehr als eine Mahnung — sie sind ein Aufruf. Ein Aufruf an uns alle. Es ist Zeit, dass wir dem Druck der breiten Gesellschaft folgen. Es ist Zeit, Politik zu machen im Interesse von Tierwohl, Umweltschutz und öffentlicher Sicherheit. Es gibt wirklich keinen einzigen vernünftigen Grund, hier nicht zu handeln. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Freiheit: die Freiheit des Einzelnen geht auch immer mit Verantwortung einher; alles andere ist blanker Egoismus. Und leider verwechseln in unserer Gesellschaft zu viele das eine mit dem anderen.

Wir als Gesellschaft entwickeln uns weiter; diesen Anspruch sollten wir in moralischer Hinsicht nicht aufgeben. Ethisches Handeln heißt, Leid zu vermeiden, wo wir es können. Nichts spricht dagegen, unsere Traditionen zu bewahren — aber sie gleichzeitig auch weiterzuentwickeln: durch kontrollierte, professionelle Feuerwerke, durch Licht- und Lasershows — genauso bunt, genauso feierlich, aber sicherer, nachhaltiger, verantwortungs-bewusster.

Ich erinnere auch gern an ein deutliches Signal, das aus unserem Nachbarland Tschechien kommt: Seit dem 1. Dezember 2025 ist dort ein neues Gesetz in Kraft getreten, das den Verkauf von Feuerwerkskörpern auf Märkten und mobilen Verkaufsständen verbietet — ausgenommen sind nur Kleinstfeuerwerke der Kategorie F1. Gleichzeitig gilt landesweit ein generelles Abbrennverbot im Umkreis von 250 Metern um schützenswerte Einrichtungen wie Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Tierheime, Zoos und landwirtschaftliche Tierhaltungen. Damit macht Tschechien deutlich, dass das Zünden privater Böller und Raketen nicht mehr als unverrückbare Tradition gilt. Wenn unser Nachbarland diesen Schritt wagt, dann sollten wir uns ernsthaft fragen: Warum nicht auch wir?

Vielen Dank!