Aktuelle Debatte Moderner Staat – Lippmann: Es braucht eine neue Vertrauenskultur zwischen Bürger:innen und Verwaltung
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU zum Thema: „Den Knoten durchschlagen: Sachsens Staatswesen effizienter, wirkungsvoller und moderner gestalten“
23. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 04.12.2025, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,
das Bild des gordischen Knotens ist ja nun schon überstrapaziert worden. Deswegen erspare ich Ihnen dazu weitere Ausführungen, außer, dass der Sinn des sagenumwobenen Knotens die Verbindung eines Streitwagens mit dem Zugjoch war. Wenn Sie nun also den Knoten durchschlagen, ergibt dies zunächst eins: Stillstand.
Die CDU beginnt also die Staatsmodernisierung mit einem groben Akt, der zum Stillstand führt. Na, da dürfen wir mal gespannt sein.
Kommen wir also von falsch verwendeten historischen Bildern zu schlecht gemachter Staatsmodernisierung.Die Modernisierung des Staates ist und bleibt eine der drängendsten Aufgaben, bei denen es großen Aufholbedarf gibt, ohne Frage.
Aber es gilt, sie mit Präzision und mit Augenmaß anzugehen und in ihr weit mehr als bloßen Standardabbau und Verwaltungsverschlankung um ihrer selbst willen zu sehen.
Aus BÜNDNISGRÜNER Sicht sind dabei drei Aspekte zentral:
1. Prozesse zur Aufgabenkritik ersetzen keine politischen Entscheidungen zur Aufgabenwahrnehmung.
Gefühlt hangelt sich dieses Land von einem Prozess der Aufgabenkritik zum nächsten. Es mangelt uns wahrlich nicht an Erhebungen, sondern an konkreten Umsetzungen. Erinnern sie sich noch an die 1.300 Aufgabenliste des ehemaligen Staatssekretärs in der Staatskanzlei Popp? Die wahr inhaltlich spannend, aber wurde wieder im Schreibtisch verstaut.
Und auch jetzt rühmt man sich für die nächste Aufgabekritik, in der es vornehmlich um Berichtspflichten geht. Nicht falsch, aber am Ende braucht es Entscheidungen. Politische Entscheidungen, die mehr sein müssen als die Streichung von ein paar Berichtspflichten oder die Beschleunigung von Verfahren. Denn es ist die Aufgabe von uns als Abgeordneten, die genau dafür gewählt sind.
Wir dürfen Staatsmodernisierung allerdings nicht als Abbau von Standards begreifen. Wir dürfen nicht weiter plump schlechte Prozesse digitalisieren.
Zu einer guten Staatsmodernisierung gehört es, Strukturen und Prozesse von Anfang an mit in den Blick zu nehmen und nicht nur vom schön verpackten Endergebnis her zu denken.
2. Bürokratieabbau ist kein Selbstzweck und verlangt eine neue Vertrauenskultur.
Ja, überbordende Bürokratie überlastet die Verwaltung und ist auch für die Bürgerinnen und Bürger eine Belastung, wenn sie eine schnelle Entscheidung der Verwaltung brauchen, aber monatelang auf die Rückmeldung oder Bescheidung warten müssen.
Wenn wir eine Modernisierung des Staates anstreben, so muss für uns BÜNDNISGRÜNE aber der erste Schritt sein, eine kritische Debatte mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber zu führen, was der der Staat leisten kann und soll.
Wir brauchen ein kluges Austarieren von staatlichen Aufgaben und bürgerschaftlicher Verantwortungsübernahme. Das heißt aber auch, dass wir eine neue Vertrauenskultur brauchen und zwar zwischen Bürgern und Verwaltung.
Dann muss auch klar sein, dass nicht immer für alles der Staat verantwortlich ist und auch nicht verantwortlich gemacht werden kann. Genau diese Mentalität ist aber weit verbreitet und Teil eines von der CDU über Jahrzehnte propagierten falschen hyperetatistischen Staatsverständnisses.
3. Ein zentraler Teil von Staatsmodernisierung muss die Härtung der Resilienz der Verwaltung sein.
Wenn wir darüber sprechen, das Staatswesen effizienter, wirkungsvoller und moderner zu gestalten, dann müssen wir auch darüber sprechen, wie wir es resilienter gestalten können.
Zu den Kernaufgaben des Staates wird weiterhin der Schutz der Bevölkerung gehören. Deshalb gehört zu einer Staatsmodernisierung auch ein moderner Bevölkerungsschutz, nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch mit Blick auf Forschung und Weiterbildung. Und deswegen sind beispielsweise Institutionen, wie das Institut für Bevölkerungsforschung kein nice to have, das man dem Furor der Einsparwut opfern kann, sondern essentieller Bestandteil staatlicher Vorsorge.
Andererseits müssen wir unsere Städte, Gemeinden und Landkreise resilienter gegenüber den zunehmenden demokratiefeindlichen Angriffen aufstellen, von innen wie von außen. Gerade in diesen Zeiten starker rechtsextremer Strukturen sind wehrhafte, rechtsstaatliche und demokratische Institutionen in den Kommunen wichtiger denn je.
Ein moderner freiheitlicher Staat muss zwingend klarer gegen Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen vorgehen. Wir müssen alle staatlichen Institutionen und Verfahren einem Stresstest hinsichtlich der Lücken für Verfassungsfeinde unterziehen. Denn ein moderner Staat darf keine einzige Lücke lassen, die durch Verfassungsfeinde genutzt werden kann.
Und es muss auch klar sein, dass eine Staatsmodernisierung nie zu Lasten von Freiheit, Demokratien und Wehrhaftigkeit gehen darf.
Vielen Dank!