Datum: 22. März 2022

BÜNDNISGRÜNE Fraktion: Position zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine

Die Bilder, die uns täglich aus der Ukraine erreichen, sind erschütternd und machen uns fassungslos. Wir BÜNDNISGRÜNE verurteilen den Angriff Russlands. Es ist ein barbarischer Akt. Er verursacht unbeschreiblich großes Leid in der ukrainischen Bevölkerung und ist ein klarer Bruch mit dem Völkerrecht. Die Unabhängigkeit, Souveränität und die territorialen Grenzen der Ukraine stehen für uns nicht zur Debatte.

Wir stehen an der Seite der Ukraine, die für unsere geteilten Werte wie Freiheit und Demokratie einsteht sowie für ihre Existenz als unabhängiger Staat kämpft. Die ukrainische Bevölkerung verdient angesichts der humanitären Katastrophe unsere unbedingte Solidarität. Doch gerade jetzt gilt mehr denn je: Solidarität bedeutet mehr als nur Worte der Unterstützung auszusprechen. Als BÜNDNISGRÜNE-Fraktion im Sächsischen Landtag setzen wir uns für eine Reihe von Maßnahmen zur Linderung des Leids der ukrainischen Bevölkerung ein. Wir stehen außerdem hinter den von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur humanitären Hilfe.

In der akuten Notsituation gilt es, direkt und unbürokratisch zu unterstützen. Sachsen kann durch die Lieferung von Hilfsgütern und Bereitstellung von Finanzmitteln einen wichtigen Hilfsbeitrag leisten. Die Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern in unseren Nachbarländern ist dabei essentiell. Ihnen wollen wir auch weiterhin bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine unter die Arme greifen. Wir setzen uns zudem dafür ein, die Perspektive der Ukrainerinnen und Ukrainern in Hilfsstrukturen und politische Entscheidungen einzubeziehen.

Kinder und junge Menschen in der Ukraine leiden besonders unter der aktuellen Situation. Sie werden ihrer Zukunft beraubt. Wir wollen in Sachsen sicherstellen, dass das Recht auf Bildung von geflüchteten Kindern gewährleistet wird. Sie sollen schnellstmöglich nach Ankunft Angebote von Kinderbetreuung und Bildung erhalten. Die Kommunen wollen wir bei dieser Aufgabe mit der Bereitstellung von Ressourcen unterstützen. Besonders schutzbedürftig sind Kinder und Jugendliche in Kinderheimen und Menschen mit Behinderung. Der Freistaat unterstützt deren Evakuierung bereits fachlich und logistisch. Auch hier gilt es, zeitnah die notwendigen Betreuungsangebote zur Verfügung zu stellen.

Wir fordern das Innenministerium an, darauf zu achten, dass in den Kommunen der Ausführungserlass des BMI vollumfänglich zur Anwendung kommt hinsichtlich Registrierungsmöglichkeiten, umfassten Personengruppen, automatischer Arbeitserlaubnis sowie der Gewährung von Überbrückungshilfen zur Sicherung des sozialen Existenzminimus.

Zentral ist zudem, den hier ankommenden Menschen unbürokratische, schnelle und großzügige Hilfe zukommen zu lassen – sowohl bei der Gewährung von Aufenthalt als auch bei der Sicherung des Existenzminimums. Medizinische Hilfe, Unterkunft, Erwerbstätigkeit sowie Schul- und Kitabesuch müssen einschränkungslos gewährt werden. Insbesondere die hier überwiegend ankommende Zahl an Frauen und Kindern haben besondere Bedarfe, die in allem staatlichen Handeln berücksichtigt werden müssen. Geflüchtete Menschen sollen schnell in den Kommunen untergebracht sowie ein ausreichendes psychotraumatisches Versorgungsangebot gewährleistet werden. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist niedrigschwellig zu ermöglichen. Dazu gehört für uns ebenfalls eine unkomplizierte Anerkennung von Berufsabschlüssen.

Im Zuge der schnellen Hilfe begrüßen wir auch Beschluss des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie (RL 2001/55/EG) zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (sogenannte Massenzustrom-Richtlinie) sowie die Unterstützung durch die Bundesregierung in diesem Vorgehen. Auf Bundesebene soll sich der Freistaat dafür einsetzen, die Vorgaben unbürokratisch umzusetzen.

Berichte über Benachteiligungen bei der Registrierung und Unterbringung von aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatangehörige und ukrainischen Roma an Grenzübergängen gegenüber ukrainischen Staatsangehörigen, besorgen uns sehr. Es ist für uns BÜNDNISGRÜNE keine Frage, dass alle geflüchteten Menschen aus der Ukraine aufgenommen werden sollen, unabhängig von ihrer Nationalität. Eine selektive Solidarität darf es nicht geben. Die Würde aller in Deutschland schutzsuchenden Menschen ist zu achten. Wir wollen, dass sich der Freistaat für großzügige Regelungen bei den unteren Ausländerbehörden wie ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht oder selbst ergänzende ermessenslenkende Hinweise zur großzügigen Anwendung von Regelungen für ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bund einsetzt, besonders bei Menschen, die vom EU Ratsbeschluss nicht erfasst sind.

Wir stehen hinter den durch die Europäische Union und ihren Partner beschlossenen Sanktionen gegen den russischen Finanz-, Wirtschafts-, Energie- und Verkehrssektor, sowie zusätzliche Listungen russischer Personen, Ausfuhrkontrollen und Ausfuhrfinanzierung. Zudem unterstützen wir das gemeinsame europäische Vorgehen für erschwinglichere, sicherere und nachhaltigere Energie „REPowerEU“ und die damit vorgesehen Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des EU-weiten Energiesystems.

Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik. Eine steigende Unabhängigkeit von Energieimporten bedeutet nachhaltige Versorgungssicherheit und durch die Investition in die grüne Energiewende auch ein Gewinn für das Klima. Als BÜNDNISGRÜNE setzen wir uns für eine massive Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren ein. Dazu müssen Genehmigungsverfahren vereinfacht und die zuständigen Behörden mit ausreichendem Personal ausgestattet werden. Kurzfristig gilt es zudem, mehr Anstrengungen im Bereich der Energieeinsparung, eine Diversifizierung der Energieimporte sowie die Nutzung bestehender Speicherkapazitäten und Energiereserven voranzutreiben. Außerdem wollen wir die Menschen angesichts stark steigender Energie- und Lebensmittelpreise entlasten. Dies gilt insbesondere Menschen mit geringem Einkommen.

Der Freistaat muss zudem mit einer Einstellung der Rohstofflieferungen rechnen. In Abstimmung mit der Bundesregierung sind Vorbereitungen und Notfallpläne für einen möglichen Totalausfall der russischen Energielieferungen zu treffen und Maßnahmen zur kurzfristigen Versorgungssicherheit für alle kritischen Infrastrukturen vorzuhalten. Auch die Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus Russland im Bereich kritischer Rohstoffe, insbesondere Nickel, Palladium und Aluminium, ist sukzessive abzubauen. Für die Stärkung der sächsischen Rohstoffversorgung gerade bei nicht nachwachsenden Rohstoffe ist die Intensivierung regionaler Kreislaufwirtschaft unbedingt notwendig.

Für viele Unternehmen im Freistaat ist die aktuelle Situation ebenfalls eine riesige Herausforderung. Wir erwarten, dass deren Bedarfe, die durch die jetzigen und möglicherweise noch folgenden verhängten Sanktionen entstehen, genau analysiert werden. Sie sollen passgenau unterstützt werden, um diese Krisensituation zu bewältigen.

Wir sehen auch den dringenden Bedarf, Vorkehrungen im Bereich der IT-Sicherheit zu treffen, insbesondere für die kritische Infrastruktur des Freistaats.

Abschließend werfen wir auch einen Blick nach Russland und der dortigen Zivilgesellschaft: Wir stehen an der Seite derer, die in Russland und Belarus gegen Krieg und das „System Putin“ demonstrieren und dabei ihre eigene Sicherheit riskieren.  Die massenhaften Verhaftungen friedlicher Demonstrantinnen und Demonstranten ebenso wie die verschärften Gesetze gegen „Desinformationen“, die die freie Meinungsäußerung massiv einschränken und Journalistinnen und Journalisten an der Ausführung ihrer Arbeit sehr stark hindern, verurteilen wir auf das Schärfste.

Das klare Zeichen aus dem Europaparlament und der Europäischen Kommission für eine konkrete Beitrittsperspektive der Ukraine in die Europäische Union ist richtig. Ebenso begrüßen wir die Ankündigung, das 2014 geschlossene Assoziierungsabkommen mit neuem Leben zu füllen.

1 Kommentar

  1. Martin Böttger 23. März 2022 at 8:36 - Reply

    Bis zum Waffenstillstand keine Energie mehr aus Russland kaufen!

    Das Martin-Luther-King-Zentrum für Gewaltfreiheit und Zivilocourage Werdau befürwortet als Reaktion auf die Zerstörung der Stadt Mariupol und weiterer ziviler Einrichtungen in der Ukraine eine drastische Verschärfung bestehender Sanktionen gegenüber dem russischen Aggressor. Dazu gehört auch ein möglichst totaler Boykott der Energielieferungen aus Russland. Die russische Kriegsmaschine darf nicht mehr mit unserem Geld aus dem Kauf von Erdöl, Kohle und Gas finanziert werden!

    Uns ist klar, dass ein solches Embargo schwerwiegende Folgen auch für die deutsche Bevölkerung haben würde. Nicht nur die Kraftstoffpreise würden weiter steigen, auch viele Konsumgüter würden knapp werden und sich verteuern, denn auch energieintensive Industriezweige wären betroffen. Und die Heizkosten würden weiter steigen. Wir müssten dann „für die Freiheit frieren“ (Joachim Gauck). Wir sind aber davon überzeugt, dass der größte Teil unserer Bevölkerung aus Solidarität mit der geschundenen Ukraine auf einige Annehmlichkeiten für eine bestimmte Zeit verzichten würde. Zum Ausgleich sozialer Härten müsste unser Staat die nötigen Mittel bereit stellen.

    Trotz der zu erwartenden Einschränkungen halten wir einen totalen Boykott russischer Energie im Zeitraum bis zu einem Waffenstillstand für zumutbar. Es wäre gelebte gewaltfreie Solidarität mit unseren ukrainischen Freundinnen und Freunden.

    Slawa Ukraini!

    Dr. Martin Böttger, Vorsitzender

    Rückfragen unter 0375-6924301 möglich

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