AfD-Verbotsverfahren – Lippmann: Es ist an der Zeit, zu handeln und die Instrumente unserer wehrhaften Demokratie zu nutzen
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Demokratie verteidigen: Parteiverbotsverfahren gegen die AfD zügig einleiten!“ Drs 8/2765
21. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 30.10.2025, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben das Parteiverbot als ein Instrument der wehrhaften Demokratie in unsere Verfassung geschrieben. Sie taten es mit großer Selbstverständlichkeit aus den Erfahrungen der legalen Machterlangung der NSDAP. Sie gingen davon aus, dass das Instrument zwar nicht häufig, aber im richtigen Moment zur Anwendung gebracht werden soll, gar muss. Und dieser Moment ist jetzt gekommen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich zunächst ein paar grundsätzliche Punkte zum Parteiverbot vorwegnehmen. Das Parteiverbot ist kein Repressionsinstrument und auch kein Fremdkörper in einer freiheitlichen Demokratie.
Im Gegenteil. Es löst eines der großen Paradoxien der freiheitlichen Demokratien auf. Nämlich, dass durch die Freiheit auch jenen die Freiheit gegeben wird, die die Freiheit abschaffen wollen, in dem es als letzte Konsequenz die Unterbindung des legalen Niederringens der Demokratie zu verhindern mag.
Das Parteiverbot ist keine politische Entscheidung, es ist eine rechtliche. Mit den höchsten Hürden, die es geben kann. Nur das Bundesverfassungsgericht kann auf Antrag von lediglich drei Institutionen darüber entscheiden. Die Entscheidung kann nur mit zwei-Drittel-Mehrheit des Senats getroffen werden. Wir reden somit über eines der voraussetzungsreichsten und komplexesten Verfahren, das es gibt – und dennoch glauben auch wir BÜNDNISGRÜNEN, dass der Zeitpunkt gekommen ist, diesen steinigen Weg zu gehen – eben nicht, weil es einfach ist, sondern weil der Schutz unserer freiheitlichen Demokratie es verlangt.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die AfD ist im Kern eine verfassungsfeindliche Partei. Daran besteht kein Zweifel. Die Zweifel bestanden zuletzt eigentlich nur noch in der Frage, ob diese Verfassungsfeindlichkeit ein Verbot rechtlich zu rechtfertigen vermag. Auch ich – der lange Zeit ein Skeptiker diesbezüglich war – glaube mittlerweile: Ja!
Die zwei Schutzgüter, die ein Parteiverbot zu rechtfertigen vermögen, sind die freiheitliche demokratische Grundordnung und der Bestand der Bundesrepublik Deutschland.
Kern und Ausganspunkt der freiheitlichen Demokratie bildet der Schutz der Menschenwürde. Eine Partei, deren führende Vertreter mit dem Schmieden von Remigrationsplänen einen ethnischen Volksbegriff in die Praxis umsetzen wollen, verstößt eindeutig gegen die Menschenwürde. Gleiches gilt für die Forderungen, Ausländern keine Sozialleistungen mehr zu zahlen.
Auch ihre permanente Diffamierung der sexuellen Selbstbestimmung und die gezielten verbalen Angriffe auf Transpersonen dürften geeignet sein, die Annahme gerichtsfest zu untermauen, dass die AfD darauf ausgeht, die Universalität der Menschenwürde, wie sie in Art. 1 Abs. 1 GG Niederschlag gefunden hat, zu beseitigen. Und dies allesamt auch mit für ein Verbot entscheidenden Planhaftigkeit.
Werfen wir einen Blick auf die Rechtsstaatlichkeit: Hier gibt es eine Reihe von Beispielen, die zeigen, dass die AfD auch darauf aus geht, diesen Kern unserer Verfassung anzugreifen und diese auch mit der für ein Verbot notwendigen Performativität. Der versuchte Parlamentsputsch in Thüringen war kein skurriles Kabarett, sondern der Versuch, die Verfassung des Landes Thüringen auszuhebeln, um der AfD an die Macht zu verhelfen.
Und auch die Art und Weise, wie die AfD versucht, die Gerichte in Deutschland zu delegitimieren, dürften wesentliche Bausteine in einem Verbotsverfahren sein.
Zunehmend in den Blick nehmen sollten wir aber auch – und das ist tatsächlich aus meiner Sicht der zunehmend springende Punkt – den Schutz des Fortbestandes der Bundesrepublik Deutschland. Wenn sich eine – nun ehemalige – AfD-Bundestagsabgeordnete mutmaßlich an einem hoch verräterischen Unternehmen gegen den Bund beteiligt und die Verfassungsordnung der Bundesrepublik beseitigen will, ist das ein zentraler Punkt.
Wenn zugleich sich die Anhaltspunkte verdichten, dass die AfD eine Spionage- und Propaganda-Marionette des Kremls ist und damit wirksam die Bundesrepublik aus dem Inneren sturmreif für den Angriff von Außen schießen will, ist es an der Zeit zu handeln.
Übrigens dürfen Sie davon ausgehen, dass bei diesem Vorwurf die Hürden weit niedriger sind als bei den Angriffen auf die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben jenes schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie nicht ins Grundgesetz geschrieben, damit wir es selbst dann schulterzuckend betrachten, wenn sein Anwendungsfall eingetreten ist. Und erst recht nicht dafür, dass wir es eines Tages bedauern, den Moment verpasst haben, an dem wir es noch hätten ziehen können.
Vielen Dank.