Aktuelle Debatte Sozialstaat – Schubert: Ein tragfähiger Sozialstaat braucht ein gerechtes Steuersystem
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Sozialstaat sichern, Superreiche gerecht besteuern – gegen einen Herbst der Ungerechtigkeit“
18. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10.09.2025, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich danke der Linksfraktion für die Debatte heute.
Und ja – es stimmt: Wir brauchen mehr Gerechtigkeit, (auch) im Steuersystem. Aber wir brauchen vor allem eines: eine große, realistische Steuerreform, die trägt und wirkt – für Sachsen, für Deutschland, für die kommenden Jahrzehnte.
1. Den Sozialstaat nicht kaputtsparen, sondern klug finanzieren
Unser Sozialstaat ist ein Fundament – nicht nur ein Auffangnetz, sondern auch ein Investitionsversprechen in Zusammenhalt, Bildung, Pflege und Infrastruktur. Es kann doch nicht sein, dass es in einem reichen Land wie unserem eine zunehmende Kinderarmut gibt! Gerade in Sachsen sehen wir: Familien brauchen Entlastung, ältere Menschen brauchen Verlässlichkeit, die Kommunen brauchen Planungssicherheit. Aber klar ist auch: Wir können den Sozialstaat nur sichern, wenn wir ihn nachhaltig finanzieren – nicht durch immer neue Schulden, sondern durch ein gerechtes Steuersystem, was auch die in den Blick nimmt, die durch harte Arbeit erwirtschaften, was zu Verteilung notwendig ist.
2. Große Steuerreform – statt Stückwerk
Wir brauchen eine umfassende Reform, die mehrere Bausteine zusammenführt:
Einkommensteuer: Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, stärkere Beteiligung sehr hoher Einkommen.
Erbschaftsteuer: Schlupflöcher schließen – niemand versteht, warum man beim Erben von 300 Wohnungen keine Steuer zahlt. Aber: Stundungen und Ratenzahlungen bei Betriebsvermögen müssen möglich bleiben, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden.
Vermögenssteuer: Sie ist ein wichtiges, ein notwendiges Instrument, um sehr große Vermögen deutlich stärker in die Verantwortung zu nehmen. Aber sie darf nicht kleinteilig auf den Mittelstand durchschlagen. Das bedeutet: hohe Freibeträge, klare Bemessungsgrundlagen, ein modernes Erhebungsverfahren. Realistisch – und handhabbar für die Verwaltung.
Unternehmensbesteuerung: Fair und wettbewerbsfähig zugleich. Wir dürfen Unternehmen, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen, nicht vertreiben. Aber wir müssen verhindern, dass Konzerne durch Steuertricks Milliardengewinne an der Allgemeinheit vorbeischleusen und sich damit echt a-sozial verhalten.
Und ich hätte Lust, auch über grundsätzliche Reformen etwa bei der Mehrwertsteuer zu diskutieren; und dabei die skandinavischen Modelle zum Vorbild zu nehmen, deren Sozialstaatsmodelle vorbildhaft sind, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ermöglicht, dass die Frauenvollzeitbeschäftigung deutlich höher liegt als bei uns und damit signifikant zum BIP beiträgt.
3. Steuerflucht und Steuerbetrug bekämpfen
Ein entscheidendes Thema ist die Steuerflucht. Es reicht nicht, auf neue Steuern zu verweisen – der Staat muss dafür sorgen, dass die geltenden Regeln auch wirklich durchgesetzt werden.
Das heißt: Stärkung der Steuerfahndung in den Ländern, auch hier in Sachsen. BÜNDNISGRÜN hat das konkret organisiert, Danke für die wertvolle Arbeit. Bessere Ausstattung der Finanzämter – personell und digital. Längere Aufbewahrungsfristen, damit Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandale nicht ungestraft bleiben.
Jeder Euro, der durch Steuertricks entzogen wird, fehlt dem Staat, fehlt im Sozialstaat, fehlt in Schulen, fehlt in der Pflege, belastet die Ehrlichen. Ganz zu schweigen davon, dass man Steuerflüchtigen auch keine Orden anheftet.
4. Realpolitik heißt: Wir brauchen Mehrheiten
Es reicht nicht, nur mit gutklingenden Parolen zu fordern: „Die Reichen sollen zahlen.“ Wir müssen dafür konkrete Gesetze auf den Weg bringen, die rechtssicher sind, die vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben und die durchsetzbar sind in Verwaltung und Praxis. Nur so erreichen wir echte Veränderung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein gerechtes Steuersystem ist kein Selbstzweck. Es ist die Grundlage, dass wir die großen Aufgaben – öffentliche Daseinsvorsorge, Klimaschutz, Digitalisierung, soziale Sicherheit – überhaupt stemmen können.
Mein Vorschlag: Lassen Sie uns gemeinsam nicht über den „Herbst der Ungerechtigkeit“ reden, sondern über einen Frühling im Sinne eines Aufbruchs für eine umfassende Steuerreform, die nachhaltig ist, die Steuerflucht verhindert, die Schlupflöcher schließt – und die vor allem das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates stärkt.
Vielen Dank.