Aktuelle Debatte Wehrpflicht – Lippmann: Wehrausbildung greift massiv in Lebensplanung ein, Freiwilligkeit ist hier essenziell
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BSW: „Euer Ruf nach Pflicht: Nein, meine Kinder geb‘ ich nicht!“
20. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.10.2025, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
die Debatte um eine mögliche Wehrausbildungspflicht in Deutschland ist in den letzten Wochen zu einem schrillen Theater verkommen, dass in seiner Absurdität in keinem Verhältnis mehr zur notwendigen Ernsthaftigkeit in Anbetracht der Bedrohung steht.
Und wenn jetzt schon Reinhard Mey Lieder als Debatten-Teile herhalten müssen, ist es an der Zeit, dass ganze nochmal klar einzuordnen:
1. Im September sind zahlreiche militärische russische Drohnen in den polnischen und damit in den Luftraum der NATO eingedrungen. Seitdem gab es immer wieder Drohnenflüge über der kritischen Infrastruktur in Europa, Cyberangriffe und zuletzt russische Militärflugzeuge im litauischen Luftraum. Und um es klar zu benennen: Das sind keine Versehen, das sind gezielte Machtdemonstrationen seitens Russlands. Wer sich trotz dieser ernsten Bedrohungslage immer noch hier hinstellt, die Situation herunterspielt und Russland als missverstandenen, friedlichen Akteur darstellt, hat sein Hirn wahrscheinlich beim letzten Besuch in der russischen Botschaft gelassen.
2. Wenn wir über den Wehrdienst diskutieren, dann geht es nicht darum, Deutschland kriegstüchtig zu machen, es geht darum, Deutschland verteidigungsfähig zu machen, um die Werte unserer Republik – Demokratie, Frieden und Freiheit – zu schützen. Und da ist es kommunikativ genauso fatal, die Wehrpflicht zur Staatslotterie zu machen, wie hier die Ängste zu schüren, man wolle Eltern ihre Kinder wegnehmen, wie es der Debattentitel tut. Das ist übrigens das, was die Russen in der Ukraine tun.
3. Es ist zentral, dass junge Menschen in die Debatte mit einbezogen werden, sie ihre Ängste äußern können und dass ihre Stimme gehört wird. Die Frage nach einem Wehrdienst greift massiv in ihre Lebensplanung ein und genau deshalb halten wir auch die Freiwilligkeit der Wehrausbildung für essenziell. Umso mehr löst das aktuelle Handeln der Bundesregierung Unverständnis bei mir aus.
4. Wenn dann auch noch der Sächsische Ministerpräsident Nebelkerzen zündet, wird es nicht besser. Die Forderung nach einer Volksbefragung, wohl gemerkt, keinem Volksentscheid, dürfte verfassungswidrig sein. Da frage ich mich übrigens auch, warum das nun von angeblich jeden fachfremden Ballast befreite Justizministerium, diesem Unsinn nicht Einhalt gebietet.
5. Der Wehrdienst kann in Anbetracht der Komplexität der hybriden Angriffe nur ein Bestandteil sein, um die Wehrhaftigkeit Deutschlands sicherzustellen. Es geht darum, ein Verständnis von Wehrhaftigkeit zu entwickeln, welches über die reine militärische Komponente hinaus auch das staatliche Krisenmanagement und die Verteidigung unserer Freiheit umfasst, denn die Herausforderungen vor denen wir stehen, sind nur gesamtgesellschaftlich zu bewältigen.
Deshalb ist es ebenso wichtig, weitere Bereiche wie den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz oder die Freiwilligendienste mit in die Debatte aufzunehmen. Dazu gehört auch, nicht nur den Blick auf die junge Generation zu richten.
Vielmehr sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich alle Menschen generationenübergreifend in diesen Bereichen aus- und weiterbilden können, um im Krisenfall handlungsfähig zu sein. In Anbetracht der Bedrohungslage brauchen wir eine umfassende gesellschaftliche Resilienz, die weit über Wehrdienstdebatten hinaus geht.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen uns klar machen, dass wir momentan in einer entscheidenden Phase sind. Es geht auch darum, dass, was vor 36 Jahren erkämpft wurde, Freiheit und Demokratie, gesamtgesellschaftlich zu verteidigen.
Dafür braucht es mehr als wohlfeiles dagegen sein und fehlenden Antworten zu Alternativen, sondern den Mut, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.