Rückblick „Auf den Anfang kommt es an! Was Kitas jetzt brauchen“ am 21. November in Dresden
Am 21. November lud die BÜNDNISGRÜNE Landtagsfraktion zum zweiten After-Work-Gespräch „Auf den Anfang kommt es an! Was Kitas jetzt brauchen“. In den Räumen der LOUISE – Haus für Kinder, Jugendliche und Familien kamen Fach- und Leitungskräfte, Trägervertreter*innen, Fachberater*innen und Eltern an Thementischen miteinander ins Gespräch: Was haben wir für die frühkindliche Bildung bisher erreicht? Was brauchen Kitas jetzt? Und welche möglichen Maßnahmen haben Priorität? Nach Impulsvorträgen von Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, Torsten Schulze, Sprecher für Kindertageseinrichtungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Stadtrat Dresden, und Carsten Schöne, Vorsitzender des Unterausschusses Kindertagesbetreuung im Dresdner Jugendhilfeausschuss, wurde an den Thementischen lebhaft diskutiert.
Der erste Tisch befasste sich mit dem Thema Personalgewinnung und -ausbildung. Die Praxisphasen, so der Tenor, müssten früher und umfassender in der Ausbildung verankert werden, insgesamt bräuchte es eine Stärkung der Praxis und der Praxisanleitung. In der Ausbildung angehender Erzieher*innen müsse Biographie-Arbeit eine größere Rolle spielen, um eine kindorientierte Haltung entwickeln zu können. Es wurde kritisiert, dass die Verwaltungstätigkeiten aktuell 50-70 Prozent des Arbeitsalltags von Leitungskräften einnehmen. Dieser Anteil müsse dringend reduziert werden. Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, müsse auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse verbessert und Berufserfahrung stärker berücksichtigt werden. Um langfristig neues Personal zu finden, sollte es mehr Stellen für Freiwilligendienste geben. Zudem müsse die Berufsorientierung an Schulen mit Blick auf pädagogische Berufe gestärkt werden. Kritisch wurde das Thema Leiharbeit über Personaldienstleister besprochen. Die Qualität sei sehr unterschiedlich, so dass ein Qualitätssiegel zu erwägen sei.
Der zweite Thementisch widmete sich der Qualitätssicherung und -entwicklung. Als zentral wurde das Thema Zeit besprochen, um dem Anspruch einer qualitativ hochwertigen Bildung und Betreuung gerecht zu werden. Als Zielgrößen für den Personalschlüssel wurden genannt: 1:3 in der Krippe und 1:8 bis 1:10 in der Kita. Fehlzeiten durch Urlaub, Krankheit und Weiterbildung sollten umfangreicher im Personalschlüssel berücksichtigt werden, auch bräuchte es mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung, Praxisanleitung, Elternarbeit und -gespräche, kollegiale Kindbetrachtungen, Team-Sitzungen und -Besprechungen. Der sächsische Bildungsplan wurde als gute Grundlage für die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen gewürdigt, allerdings sei eine Überarbeitung unter Einbeziehung der Themen Inklusion, Migration/Integration und Sprachentwicklung wünschenswert. In der schulischen Ausbildung bräuchte es mehr Praktika und mehr Raum für Reflexion und Biographiearbeit. Die Fachberatung wurde als hilfreiches Instrument beschrieben. Es wurde angeregt, das Weiterbildungsbudget von Einrichtungen zu erhöhen und vermehrt für Team-Weiterbildungen zu nutzen. Kindertageseinrichtungen sollten außerdem möglichst flächendeckend zu Familienzentren weiterentwickelt werden.
Am dritten Thementisch wurde über besondere Bedarfe gesprochen, vor allem bezüglich Inklusion. Oftmals sei die Erfassung und Beantragung von Integrationsplätzen praxisuntauglich. Zwar seien multiprofessionelle Teams in vielen Einrichtungen Realität, es bräuchte aber regelhaft eine heilpädagogische Fachkraft in jeder Gruppe. In Dresden wurde erfolgreich und beteiligungsorientiert ein Rahmenkonzept Dresden für inklusive Bildung, Erziehung und Betreuung entwickelt. Positiv wurde hervorgehoben, dass darin ein Perspektivwechsel gelungen sei: weg von der Defizitorientierung und hin zum Grundsatz „Jedes Kind hat besondere Talente“. Als herausfordernd beschrieben die Teilnehmenden den Übergang von der Kita in die Schule. Vermehrte Rückstellungen, Zuweisungen an eine Förderschule oder Einsatz einer Schulbegleitung wären Zeichen dafür, dass es schulintern häufig keine Konzepte für Inklusion gäbe. Auf die Frage, was gebraucht wird, benannten die Teilnehmenden ein ressourcenübergreifendes Handeln und Haushalten. Inhalte und Mittel sollten sozialräumlich zusammengebracht werden.
Der vierte Thementisch war als offenes Angebot gedacht. Dort gab es zunächst Gelegenheit, über das zu sprechen, was aktuell gut läuft. Dabei wurde unter anderem der Kinderschutzordner als hilfreiche Unterstützung genannt, ebenso das Projekt der Kulturdolmetscher mit dem Ziel einer kulturübergreifenden Verständigung zwischen Kindern, Eltern und Fachkräften. Bezüglich aktueller Problemlagen ging es um die Förderung der Praxisanleitung, das zu langsame Fortkommen bei der Umsetzung der Tarifabschlüsse und die höchst unterschiedliche Qualität von Personaldienstleistern/Leiharbeit in Kitas. Auch das Thema Flex-Verträge in Dresden nahm breiten Raum ein. Abschließend ging es um die Frage, wo Prioritäten gesehen werden. Dabei bestand der große Wunsch, Kita-Sozialarbeit nicht nur in „Brennpunkten“ anzubieten, sondern in jeder Einrichtung zu etablieren. Statt eine pädagogische Fachkraft für die Kita-Leitung freizustellen, plädierten die Teilnehmenden für eine zusätzliche Person ohne pädagogische Ausbildung, etwa eine externe Verwaltungsfachkraft. Im Personalschlüssel sollten alle Kinder gleich zählen und finanziert werden, unabhängig vom Betreuungsumfang. Die Zeit für die Vor- und Nachbereitung sollte erhöht werden. Um Behördenwege für die Eltern zu verkürzen und niedrigschwellige Hilfe zu gewährleisten, sollten mehr Kitas zu Familienzentren ausgebaut werden.
Über allem kam der Wunsch zum Ausdruck, die Rahmenbedingungen so gut wie möglich zu gestalten, um eine kindgerechte frühkindliche Bildung und umfassende Betreuung zu ermöglichen.