Generalaussprache Doppelhaushalt 2025/26 – Schubert: Diese Einigung zeigt, wer konstruktiv für das Land arbeitet – und wer nicht
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Generalaussprache zum Doppelhaushalt 2025/26 (Drs 8/2950) – Einzelplan 2 (Staatskanzlei)
16. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25.06.2025, TOP 1.1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es ist gut, dass wir heute über diesen Haushalt sprechen. Und es ist gut, dass wir überhaupt über einen sprechen und ihn beschließen können – denn das war lange Zeit nicht ausgemacht.
Dieser Haushalt war kein Selbstläufer. Er ist das Ergebnis von zähen Verhandlungen, schlaflosen Nächten, vielen, vielen Exceltabellen und auch von Rückgrat und der Fähigkeit, sich die Hand zu reichen und Verschiedenheit auszuhalten.
Ich habe sehr früh und ziemlich klar und deutlich die zwei Messlatten benannt, damit wir uns als BÜNDNISGRÜNE überhaupt auf Verhandlungen einlassen.
Das war zum einen die vollzugsfähige Verankerung der Kreditmöglichkeit nach der Grundgesetzänderung des Bundes und das war zum anderen, dass es zu mehr als nur kosmetischen Änderungen kommt.
Beides ist verhandelt worden, beides ist gelungen. Es war letztendlich der BÜNDNISGRÜNE-Antrag zur Änderung der sächsischen Haushaltsordnung, der die Grundlage gebildet hat für den Gruppenantrag, damit diese Verankerung der Kreditmöglichkeit kommt, die wir in den nächsten Jahren dringend brauchen.
Und deshalb sage ich heute sehr deutlich: Dieser Haushalt trägt in vielen Bereichen nun auch wieder eine erkennbare Handschrift der BÜNDNISGRÜNEN. Denn ohne unsere Initiative, ohne unsere Ideen und ohne unsere Beharrlichkeit wären zentrale Bereiche in Sachsen ins Leere gefallen.
Der Reparaturbonus, den wir erhalten konnten, steht exemplarisch für das Reparieren von Dingen, die sonst unwiderruflich nicht mehr arbeiten könnten. So ist es auch mit diesem Haushaltsentwurf gewesen.
Lassen Sie mich eines gleich zu Beginn sagen, weil es mir wichtig ist: Diese Einigung ist kein „Deal“ – sie ist Ausdruck demokratischer Reife. Denn auch als Opposition muss man klug auseinanderhalten, wann man Sand und wann man Öl im Getriebe sein will.
Wir haben nicht „gedealt“, wir haben ausverhandelt. Aus Verantwortung für dieses Land. Daran musste uns die Minderheitskoalition nicht erst erinnern. Als Abgeordnete haben wir die Pflicht, Schaden vom Land abzuwenden. Eine Sabotage durch Verweigerung war daher nicht unser Weg.
Und genau das, meine Damen und Herren, ist der Kern dieser Einigung: Sie ist gut – gut für die Demokratie in diesem Land. Sie zeigt, dass sie funktioniert, wenn Menschen in der Lage sind, das Wohl des Landes über Parteikalkül zu stellen. Sie zeigt, dass Parlamente gestalten können – auch und gerade in einer Situation, in der die Regierung keine Mehrheit hat. Vielleicht hilft es, Vertrauen aufzubauen in die Kraft parlamentarischer Arbeit.
Der demokratische Kompromiss ist ein Wert. Wer ihn verächtlich macht, ihn degradiert, der besorgt das Geschäft derer, die an unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung die Axt anlegen.
Wir haben diese Minderheitsregierung nicht „gerettet“ – wir haben Sachsen bewahrt vor den Auswirkungen ihres Entwurfs. Wir halten auch keine Steigbügel für irgendjemanden: Wir wollten für dieses Land etwas Gutes erreichen und haben souverän für unsere Überzeugungen verhandelt – im Sinne so vieler, die uns kontaktiert haben.
Ich will Ihnen sagen, was wir erreicht haben – weil es zeigt, was auf dem Spiel stand und dass es in vielen Bereichen auch existenzielle Ängste wegnimmt:
Der Sächsische Klimafonds bleibt erhalten. Klima-, Umwelt- und Naturschutz finden auch weiterhin statt, von Energieeffizienz bis zum beliebten Reparaturbonus.
Die Natur in Sachsen wird weiter geschützt. Es gibt weiterhin eine Naturschutzförderung, die diesen Namen auch verdient.
Ökologische Landwirtschaft bleibt eine Zukunftsbranche in Sachsen. Das Kompetenzzentrum Ökolandbau bleibt erhalten, ebenso wie Sachsens Teilnahme an der Grünen Woche, die Absatzförderung und die Unterstützung der Hofnachfolge.
Die Tierschutzbeauftragte bleibt im Amt, die Tierheime erhalten Hilfe, ebenso wie Sachsens Winzer:innen für den Erhalt ihrer Weinbergsmauern.
Wir haben das verhindert, was im ursprünglichen Entwurf wie ein Angriff auf unsere Lebensgrundlagen wirkte, wie ein hartes Wegkärchern aller auch nur ansatzweise grün riechenden Themen: 37 Millionen Euro mehr für das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, dazu zusätzlich Mittel für Tierschutz, Umweltbildung, Wasserhaushalt.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Wir lassen niemanden allein. Dieser Haushalt steht nun auch wieder für sozialen Zusammenhalt. Ja, er wird grüner und er wird gerechter. So wird ein Schuh draus. Denn wir haben dort Verantwortung übernommen, wo der Entwurf versagte:
- Die Tafeln bekommen 800.000 Euro mehr,
- die Aidshilfe bleibt bestehen,
- die Psychiatrie- und Suchthilfe wird gestärkt,
- die Verbraucherzentrale wird gerettet,
- ebenso die Verbraucherinsolvenzberatung,
- freie Träger der Jugendhilfe, Schulsozialarbeit, Aussteigerprogramme, Fanprojekte – all das bleibt erhalten.
Wir haben verhindert, dass vulnerable Gruppen in diesem Land aus dem Blick geraten. Gemeinsam mit der Linksfraktion sind wir die eigentliche „Schutzmacht“ für all diese Bereiche, die so viele Menschen sehr konkret betreffen.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Haushaltsverhandlungen auch in den Bereichen Bildung, Kultur, Demokratie und Integration repariert und gestärkt.
Bildung: Das Kita-Moratorium, auf das wir uns gemeinsam verständigt haben, kommt. Bildungsangebote zur Nachhaltigkeit, die Klimaschulen – allesamt verteidigt. Projekte wie „Fabmobil“ und „Jugend hackt!“ – sie bleiben. Die Studierendenwerke erhalten 10 Millionen Euro zusätzlich für den laufenden Betrieb, um für die Studierenden gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
Demokratie und Erinnerung: Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erhält zusätzliche 1,4 Millionen Euro, die „Orte der Demokratie“ können weiterarbeiten, die NSU-Gedenkstruktur in Chemnitz wird verstetigt, das Europäische Zentrum für Pressefreiheit wird nicht zerschlagen, sondern gestärkt.
Ich nehme noch einmal Bezug auf das, was Frau Zimmermann gesagt hat. Das kann ich so nicht stehen lassen. Seit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier im Sächsischen Landtag vertreten sind, sind sie für das Thema Kultur immerfort eine Schutzpatronin gewesen.
In den letzten Jahren haben wir stetig dafür gesorgt, dass der Kulturbereich gestärkt und eben nicht geschwächt wird. Es sind in diesem Doppelhaushalt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 29 Millionen Euro mehr erhandelt worden, die dem Kulturbereich in Sachsen jetzt zur Verfügung stehen. Ich komme aus einem ländlichen Raum und lasse mir nicht sagen, dass ich den Blick dafür nicht habe. Davon profitieren insbesondere die Theater, die Orchester, die Freie Szene, die kleinen Projekte im ländlichen Raum.
Es sei mir eine Anmerkung gestattet: Das BSW hat Anträge gestellt im Kulturbereich, zum Beispiel zum Thema Kulturstiftung oder freie Kultureinrichtungen, die weit unter dem bleiben, was wir letztendlich erreicht haben. Das muss man der Wahrheit wegen sagen.
All das, meine Damen und Herren, haben wir aus einer Überzeugung heraus verhandelt: Demokratie muss nicht nur organisiert, sie muss gelebt und geschützt werden.
Auch die ländlichen Räume haben wir im Blick behalten. Wir fördern Denkmalpflege weiter. Wir sichern die fachärztliche Weiterbildung zur Gewinnung von Fachärzten in den Regionen – damit es auch in Zukunft eine gesicherte Gesundheitsversorgung vor Ort gibt.
Und ja: Wir investieren in nachhaltige Mobilität und wir stehen zu einem starken Europabezug Sachsens. Saxorail bleibt: Junge Menschen können weiter mit dem Interrail-Ticket Europa entdecken. Wir sichern die Zweigleisigkeit Geithain–Chemnitz. Wir stärken den Radwegebau und sichern Mittel für Streckenreaktivierungen.
Und dann, meine Damen und Herren, haben wir verwundert diesen Montag vor dem Haushaltsplenum – lieber Henning, Du gestattest mir ein, zwei Sätze dazu – verwundert das Online-Meeting der SPD-Fraktion zur Kenntnis genommen – und dort begann jeder zweite Satz mit „Wir haben organisiert …“, „Wir haben gesichert …“, „Wir sind die Schutzmacht für…“
Ich kann das so nicht komplett unkommentiert stehen lassen, Ihr seht es mir nach. Denn ehrlich gesagt: Nicht die SPD war in diesem Haushalt die Schutzmacht für den sozialen Zusammenhalt. Denn mit dem Entwurf wurde einkalkuliert, dass schon irgendjemand von der demokratischen Opposition diese Themen retten würde. Und ja – das haben wir getan. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Linksfraktion. Es sind unsere Änderungsanträge gewesen, für die wir Mehrheiten finden mussten.
Die Frage nach der neuen politischen Kultur wird dieser Tage sehr oft gestellt.
Von der tragfähigen neuen politischen Kultur wird man mich und meine Fraktion weiterhin überzeugen müssen. Wir sind nicht auf der Wurstsuppe hergeschwommen, wir haben in den letzten Jahren Erfahrungen gemacht, als wir hier in diesem Parlament in ganz unterschiedlichen Konstellationen aktiv waren.
Ich glaube an den Wert von Verständigung und Kompromissen. Aber wir mögen es gar nicht, wenn sich Ministerinnen oder Abgeordnete hinstellen und sich Erfolge auf die Fahne schreiben wollen, die sie gar nicht selbst erkämpft haben. Ich mag auch nicht die Idee, dass man glaubt, wenn es mit dem Premiumpartner ein-, zwei-, dreimal nicht klappt, dass man es dann als selbstverständlich nimmt, dass dann „die anderen“ immer automatisch bereitstehen. Das hat auch etwas mit Würde zu tun.
Von der neuen politischen Kultur wird man mich weiterhin überzeugen müssen, wenn unmittelbar nach der Finanzklausur der Minister für Umwelt und Landwirtschaft auf den Öko-Feldtagen, die auch tot wären ohne BÜNDNISGRÜME Intervention, es nicht mal vermag, alle Abgeordnetenkollegen gleichwertig namentlich zu begrüßen. Und ich möchte hier klar aussprechen, immerhin sind wir Opposition: Der Umweltminister hat sich grobe Schnitzer geleistet. Er hat zugelassen, dass der Entwurf keine fünf Millionen Euro für den Gewässerlastenausgleich für die Kommunen enthielt – ein handwerklicher Fehler, der nun nicht mehr repariert werden kann. Er hätte auch hingenommen, dass Sachsen sich nicht mehr auf der Grünen Woche zeigt – einem der wichtigsten Schaufenster für den ländlichen Raum und für die Lebensmittelbranche.
Respekt beginnt bei den Formen. Politische Kultur zeigt sich nicht in verbaler Wiederholung, sondern im konkreten Verhalten – gerade dann, wenn man müde, erschöpft, überfordert und unter Druck ist. Dieser Prozess, diese Verhandlungen im Zeitraffer, unterm Brennglas: Sie bieten eine Menge Lernstoff. Durch diese Verhandlungen sind wir im gegenseitigen Respekt gegangen. Wenn es gelingt, wenigstens das zu erhalten, kann das tatsächlich der Einstieg in eine neue politische Kultur sein.
Meine Damen und Herren,
dieser Haushalt ist nicht der schönste, keiner zum Abfeiern. Aber er ist der ehrlichste, den man unter diesen Umständen erreichen konnte, weil vier sehr unterschiedliche demokratische Fraktionen bereit waren, miteinander einen Weg zu gehen.
Für die Demokratie ist diese Einigung gut. Denn sie zeigt: Demokratie kann auch in schwierigen Zeiten tragfähig sein.
Sie zeigt, dass Verantwortung nicht an Kabinettstüren endet. Dass Opposition nicht nur Kontrolle, sondern auch Gestaltung bedeuten kann.
Und dass man mit Haltung, Mut und Beharrlichkeit etwas bewegen kann – im Interesse dieses Landes. Sie zeigt auch, wer bereit ist, für dieses Land konstruktiv zu arbeiten – und wer nicht.
Das haben wir getan. Nicht für „grüne oder linke Duftmarken“. Nicht für Schlagzeilen. Sondern für die vielen Menschen, die stark verunsichert waren, die in Sachsen leben und sich engagieren – und an die Zukunft dieses Landes glauben.
Ich möchte schließen mit dem Dank an alle Beteiligten, die Verwaltung und an unsere Familien, die in dieser Zeit auf uns verzichtet haben.
Wir werden heute dem geänderten Haushalt zustimmen und die Unsicherheit für viele im Land beenden.