Wie Sächsische Kommunen zu Schwammstädten werden können

Seit rund zehn Jahren treten in Sachsen vermehrt atmosphärische Bedingungen auf, die längere Trockenphasen begünstigen. Das ist für die Stadtnatur eine erhebliche Belastung. Sichtbar wird dies in abbrechenden Ästen, kahlen Baumkronen oder braunen, vertrockneten Wiesenflächen. In vielen sächsischen Gemeinden muss zudem wegen anhaltender Trockenheit die Wasserentnahme beschränkt werden. Gleichzeitig steigt das Risiko von Starkregen, der schnell Dachrinnen, Gullis oder Kanalisation überfordern kann.

Wie können sich Städte und Gemeinden besser auf diese langen Phasen mit wenig Wasser oder kurzfristig extrem viel Wasser vorbereiten? Wie kann Regenwasser länger auf den Flächen gehalten werden? Die BÜNDNISGRÜNE-Landtagsfraktion stellt einige Maßnahmen dar, zeigt gute Beispiele in Sachsen auf und hat Fördermöglichkeiten zusammengestellt.

Volkmar Zschocke
Volkmar Zschocke
Umweltpolitischer Sprecher

Grundstücks- und Verkehrsflächen

Pflanze wächst durch Asphalt

Entsiegelung und Teilentsiegelung

Wenn nicht mehr benötigt, können versiegelte Flächen auch wieder von Asphalt und Beton befreit werden. Werden Hinterhöfe entsiegelt, ist das gut für Versickerung und Wasserspeicherung sowie für die Aufenthaltsqualität. Potenzial für Entsiegelung findet sich auch auf Schulhöfen, öffentlichen Plätzen und Fußgängerzonen, Wegen, Parkplätzen, Zufahrten, Eingangs- und Einfahrtsbereichen oder ehemaligen Gewerbe- und Brachflächen. Die wichtigen Funktionen, die natürlicher Boden bietet, müssen überall, wo es möglich ist, wieder hergestellt werden.

Pflanze wächst durch Asphalt

Vermeidung neuer und vollständiger Versiegelung

Werden feste Oberflächen benötigt, müssen diese nicht voll versiegelt sein. Rasengittersteine oder Öko-Pflaster ermöglichen Versickerung. Mit der kommunalen Stellplatzsatzung können wasserdurchlässige Oberflächen für Parkplätze vorgegeben werden. Mehr “Grün statt Asphalt” lässt sich auch auf Vorplätzen, entlang von Straßen oder in Gleisbetten realisieren.

Industriebrache

Brachflächenrecycling

Vorhaben beim Wohnungs- und Gewerbebau und Reduzierung des Flächenverbrauchs müssen kein Gegensatz sein, sondern lassen sich in Einklang bringen. Die sächsischen Städte bieten noch viel Entwicklungspotential im Bestand. Die Nutzung brachliegender Siedlungs- und Gewerbflächen oder leerstehende Gebäude muss Vorrang vor dem Neubau auf der „grünen Wiese“ gegeben werden.

Grünflächen & Straßengrün

Spielplatz

Grünanlagen als Regenspeicher

Das gezielte Umleiten von Regenwasser aus den umgebenden versiegelten Flächen auf die unversiegelten Grün- und Parkflächen, in Vorgärten oder auch auf Spielplätze unterstützt die dezentrale Wasserspeicherung und die Grundwasserbildung. Das Anlegen von Senken und Mulden hilft bei der Versickerung. Das Kanalnetz wird dadurch direkt entlastet.

Pflanze wächst durch Asphalt

Neupflanzungen und Baumpflege

Bäume sind perfekte Speicher für das von Straßen und Gehwegen abfließende Regenwasser. Nur mit ausreichend großen unversiegelten Baumscheiben und gut durchlüftetem Wurzelraum haben sie die Chance, Trockenstreß zu überstehen und sich weitgehend selbst mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Großkroniger Arten senken die Verdunstung bei Hitze. Junge Bäume brauchen Unterstützung zum Beispiel mit Tröpfchenbewässerung. Aber auch Sträucher und Hecken schützen vor Bodenaustrocknung und verbessern das Mikroklima. Baum- und Pflegepatenschaften erschließen Ressourcen der Stadtgesellschaft.

Pflanze wächst durch Asphalt

Sicherung und Vermehrung von Grünflächen

Angesichts der klimatischen Entwicklung müssen vorhandene Grünanlagen und Gartenflächen vor Bebauung und Umnutzung geschützt werden. Die Neuanlage von Grünflächen sollte multifunktional geplant werden – also immer auch als Überflutungs- oder Rückhaltefläche für Starkregen oder Hochwasser.

Pflanze wächst durch Asphalt

Angepasste und naturnahe Grünpflege

Wiesen, die weniger gemäht werden, sind nicht nur widerstandsfähiger in Trockenphasen, sondern auch artenreicher und insektenfreundlicher. Es braucht zeitgemäße Kompromisse zwischen Ordnung und natürlichem Wachstum. Ungemähte Teilflächen sind stärker vor Austrocknung geschützt. Möglichkeiten wie Staffel- und Streifenmahd helfen, die Pflegepraxis den sich ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen.

Gebäude & Infrastruktur

Spielplatz

Dachgärten und Gebäudebegrünung

Wo es die Statik ermöglicht, bieten Dachgärten und Begrünung viele Vorteile. Regen wird zurückgehalten und gespeichert, die Kosten für Heizung und Kühlung sowie Regenwassergebühren sinken, Feinstaub wird gebunden, die Wohnqualität steigt.

Pflanze wächst durch Asphalt

Tonnen, Zisternen und Rigolen

Regentonnen sind eine vielfach praktizierte, einfache und kostengünstige Art, um Regenwasser zu speichern. Baulich aufwändiger sind unterirdische Zisternen und Rigolen. Regenwasser wird dabei in Becken oder Speicher aus Kies unter die Erde geleitet. Das Wasser kann bei Bedarf gepumpt werden oder wird über Rigolen wieder langsam an den Boden abgegeben. In größeren Zisternen kann Regenwasser für Bewässerung der Straßenbäume in Trockenphasen gespeichert werden.

Pflanze wächst durch Asphalt

Wiederverwendung und Kreislaufführung von Wasser

Die Wasserbereitstellung für Industrie, Gewerbe oder Bewässerung muss Schritt für Schritt von der Trinkwasserversorgung abgekoppelte werden. Um Oberflächengewässer und Grundwasser zu schonen, müssen Systeme zur Mehrfach- und Wiederverwendung von Brauchwasser etabliert werden.

Pflanze wächst durch Asphalt

Vorrang der Regenwasserrückhaltung im Bebauungsplan

In neuen Siedlungs- und Gewerbegebieten sollte neben wassersensibler Oberflächengestaltung ein dezentrales Regenwassermanagement festgesetzt werden, um Versickerung und sinnvolle Wassernutzung vor Ort zu ermöglichen und die Ableitung in die Kanalisation zu vermeiden.

Städtische Gewässer

Spielplatz

Schutz und Vermehrung von Wasserflächen

Wo möglich, sollten natürliche Teiche und Wasserflächen entwickelt, erhalten und aufgewertet werden. Neben Wasserspeicherung und -rückhalt leisten sie wertvolle Verdunstungskühlung. Die rückläufige natürliche Wasserzufuhr kann durch intelligente Verknüpfung mit der Dachentwässerung naher Gebäude ausgeglichen werden.

Pflanze wächst durch Asphalt

„Blaugrüne Bänder“ durch die Stadt

Entlang der häufig verbauten und kanalisierten Bachläufe sollten möglichst zusammenhängende Grünstrukturen entstehen. Die Offenlegung und Renaturierung von innerstädtischen Bachläufen ist aufwändig, schafft aber enormen Mehrwert für Artenvielfalt, Erholung und Hochwasserschutz sowie den Transport von Kalt- und Frischluft in die überhitzte Stadt.

Förderprogramme

Best practice Beispiele aus Sachsen

Leipzig gießt
Das Team von LEIPZIG GIESST setzt sich für den Erhalt der Bäume ein. Dafür braucht es mehr Regenwasserspeicher: Ausgemusterte 240-Liter-Mülltonnen von der Stadtreinigung Leipzig können von Leipziger Hausgemeinschaften ans Fallrohr der Dachentwässerung gestellt werden. Mehr Infos >
Baumrigolen
Die Umsetzung von Baumrigolen im Zuge der grundhaften Sanierung der Kasseler Straße ermöglicht Wasserrückhalt und -transport direkt in den Wurzelraum, um die Bäume auch in Trockenzeiten mit Wasser zu versorgen. Mehr Infos >
Forschungsprojekt Leipziger BlauGrün
Hier geht es zum Beispiel um die Entlastung des zentralen Abwassersystems, Verbesserung der Energieeffizient und des Mikroklimas sowie klimaresilientes Starkregenmanagement. Mehr Infos >
Bebauungsplan Ehemaliger Kohlebahnhof
Gleisanlagen und ehemalige Bahnhofsflächen sind in besonderem Maße klimatisch vorbelastet, was Erhitzung, den Mangel an Begrünung und den Nicht-Rückhalt von Wasser in der Fläche angeht. Das Areal von ca. 30.000 qm soll anteilig in Parkfläche umgewandelt und renaturiert werden. Zudem soll das Niederschlagswasser größtmöglich auf der Fläche zurückgehalten werden, u.a. dank geplanter intensiver Dachbegrünungen. Mehr Infos >
Regenwasserbewirtschaftung
Hier sind greifbare Beispiele für naturnahe Regenwasserbewirtschaftung zu finden, die u.a. Kühlungseffekte zur Aufwertung des Wohnumfelds haben und das Kanalnetz entlasten. Mehr Infos >
Pleißenbachgrünzug
Die Renaturierung des vormalig begradigten und verbauten Pleißenbachs ist aus Gründen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und des Hochwasserschutzes notwendig. Begleitend entsteht eine Parkanlage mit standortgerechter Bepflanzung. Die Fläche ist zudem als Interventionsfläche im Rahmen der Kulturhauptstadt 2025 vorgesehen. Mehr Infos >
Wirkbau Chemnitz
Mit dem Programm „Nachhaltig aus der Krise“ vom Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft konnten insgesamt drei Projekte realisiert werden: Ein begehbarer Dachgarten mit Bäumen und Bänken, eine weitere Dachbegrünung sowie Fassadenbegrünung. Mehr Infos >
Satzung gegen Schottergärten
Als erste Großstadt in Sachsen verbietet Chemnitz die Anlage sogenannter "Schottergärten". Ziel der Satzung ist eine angemessene Durchgrünung und Wasserdurchlässigkeit der Grundstücke zur Verbesserung des Mikroklimas sowie der Wasserrückhaltung als Hochwasservorsorge. Mehr Infos >
Kammspinnerei wird grün
Die Stadt hat verschiedene brachgefallene Industriestandorte in Grünflächen umgewandelt und dabei natürliche Bodenfunktionen wie Versickerung und Wasserrückhalt verbessert. Die Anwohnerinnen und Anwohner schätzen zudem die verbesserte Luftqualität und die nun zur Erholung nutzbaren Grünflächen. Mehr Infos >
Regenbogenschule Taucha
Hier wurde ein gepflasterter Schulhof zugunsten einer Mulde mit Wiese und Gehölzen umgewandelt, die gleichzeitig als Spielfläche und Ort für Umweltbildung dient. Mehr Infos >
Umbau der Industriebrache
Hier wurde eine dezentrale Entwässerung auf dem Gelände mit verschiedenen Versickerungsmulden, einem Teich und drei Zisternen umgesetzt. Das Regenwasser wird für den Schulgarten als Brauchwasser verwendet. Mehr Infos >
Modellprojekt Lauta-Süd
Dieses Projekt ist repräsentativ für (Ost-)Sachsen - typische Blockbebauung, leichte Böden mit geringer Wasserspeicherkapazität, hohes Trockenheitsrisiko. Es geht um die Erhöhung des Großgrün-Anteils in den Siedlungen, insbesondere mit hitze- und trockenresistenten Arten oder um Retentionsflächen und Regenwasserspeicher. Die Umsetzung fand unter Einbezug der Bewohnerinnen und Bewohner statt. Mehr Infos >
Großenhain wird Schwammstadt
Mit dem Städtebaulichen Entwicklungskonzept soll u.a. auch die Anpassung im Kontext des Klimawandels sichergestellt werden. Das umfasst die Errichtung dezentraler Regenwasserspeicher, die Mehrung straßenbegleitender Bäume und Sträucher und die Entsiegelung von Flächen. Mehr Infos >
Volkmar Zschocke - Abgeordneter aus Chemnitz
Wasserschutz ist Zukunftsschutz. Wenn wir es gemeinsam schaffen, die natürliche Schwammfunktion der Böden wieder zu etablieren, werden sie widerstandsfähiger gegen Trockenheit.
Volkmar Zschocke, Umweltpolitischer Sprecher