Gewaltschutz in Sachsen
Ein Leben ohne Gewalt ist ein Menschenrecht. Leider sind Frauen überproportional häufig von Gewalt betroffen, die Täter dabei in der Mehrzahl männlich. Weltweit wird etwa jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren Partner. Mit der 2014 in Kraft getretenen Istanbul Konvention wird dieses Problem europaweit angegangen. Dieses internationale Menschenrechtsabkommen soll die Bekämpfung und Verhütung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen voranbringen.
Seit Februar 2018 ist die Konvention in Deutschland rechtlich verbindlich und muss daher auch hierzulande in vollen Umfang umgesetzt werden. Auch in Deutschland stellt häusliche Gewalt schließlich ein zentrales Gesundheitsrisiko für Frauen dar. Jeden Tag kommt es im Schnitt zu einem Tötungsversuch gegenüber einer Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Allein 2020 gab es in Sachsen 9232 Straftaten aus dem Bereich häuslicher Gewalt gegen Frauen.
Insbesondere Kinder als Zeugen und direkt Betroffene werden durch Gewalt in ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit sowie in ihrer Entwicklung geschädigt. Die Corona-Krise verschärft die Situation, wie der Anstieg der häuslichen Gewalt in den letzten Jahren aufzeigt. Dies wird auch anhand der steigenden Belegung in den Schutzeinrichtungen nach einem Lockdown deutlich.
Der Schutz vor Gewalt ist eine staatliche Verpflichtung. Aus diesem Grund stellen wir mit dem Doppelhaushalt 4,8 Millionen Euro in 2021 und 10 Millionen Euro in 2022 zur Verfügung, um das Hilfssystem weiterzuentwickeln. Des Weiteren übernimmt der Freistaat zukünftig die Personalkosten für die Kommunen in Höhe von 3,2 Millionen Euro. Weitere Mittel sollen für die anonyme Spurensicherung genutzt werden. Auch eine Kofinanzierung der Bundesförderung für bauliche Investitionen in Gewaltschutzeinrichtungen z.B. für die Barrierefreiheit in Höhe von 800.000 Euro ist geplant.
Wir bauen den Gewaltschutz bis 2024 in Sachsen aus
Das Gewaltschutznetzwerk in Sachsen
Fälle häuslicher Gewalt
In den vergangenen Jahren sind die Zahlen der erfassten Gewalttaten gestiegen. Von 8890 im Jahr 2019 auf 9232 im Jahr 2020.
In den letzten Jahren ist ein Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Gewalt bereits erkennbar. Statt punktueller Unterstützung und Beratung der Opfer weist der Freistaat Sachsen eine verzahntes System von staatlichen und nicht staatlichen Interventionsmaßnahmen auf. Sowohl die Polizei, die Justiz und andere Institutionen als auch Ehrenamtliche unterstützen, schützen und beraten die Schutzeinrichtungen für Frauen*, Männer und Kinder. Weitere unverzichtbare Bestandteile im erweiterten Schutznetzwerk stellen außerdem die Interventions- und Koordinierungsstellen sowie die Täterberatungsstellen dar. Der Lenkungsauschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt sorgt auch auf Landesebene für umfassende Kooperation.
In Sachsen gibt es derzeit inzwischen bereits neun Interventions- und Koordinierungsstellen, 16 Frauenschutzhäuser und -wohnungen, drei Männerschutzwohnungen und drei Täterberatungsstellen. Des Weiteren existieren mit der zentralen Sofortaufnahme der Frauen*- und Kinderschutzhäuser Leipzig ein Modellprojekt zur Akutversorgung und mit KOBRAnet eine Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Durch neue Mittel im Haushalt 2021/2022 können neue Frauenschutzhäuser- und wohnungen bis 2022 im Landkreis Bautzen und Görlitz und bis 2023 im Landkreis Zwickau errichtet werden. Außerdem sind neue Interventions- und Koordinierungsstellen bis 2022 im Landkreis Mittelsachsen und Görlitz und bis 2023 im Landkreis Erzgebirge geplant. Den weiteren Ausbau der Gewaltschutz-Infrastruktur begleiten wir mit einem zweijährigen Monitoring, um zielgerichtet zukünftigen Bedarf zu erkennen.
Wir bringen Licht ins Dunkel
Häusliche Gewalt und Dunkelziffern
Leider wird nur ein kleiner Teil der Gewalttaten in den privaten vier Wänden angezeigt. Mit einer Dunkelfeldstudie zu häuslicher Gewalt, Stalking und sexualisierter Gewalt möchten wir diese nicht erfassten Straftaten identifizieren und so frühzeitig intervenieren. Da häusliche Gewalt insbesondere Frauen trifft, wollen wir eine Studie zu „Femiziden“ in Auftrag geben. Dadurch sollen geschlechtsspezifische Gewaltformen wie Tötungen aus Frauenhass, Gewalt im Namen der Ehre oder auch jegliche Genitalverstümmlung besser erfasst werden.
Leider werden auch heutzutage noch viele Personen Opfer sexueller Gewalt. Damit Vergewaltigungen in Zukunft zeitnah und gerichtsfest dokumentiert werden können, bauen wir die anonyme Spurensicherung aus. Betroffene erhalten dadurch die Möglichkeit, sich in Ruhe zu überlegen, ob sie Anzeige erstatten möchten oder nicht. Gleichzeitig stärken wir auch die täterorientierte Anti-Gewalt-Arbeit, um Wege aus der Gewalt aufzeigen. Diese ist ein wichtiger Teil des Opferschutzes, denn nur die Täter und Täterinnen können die Gewalt beenden.